487 Tage ohne Urteil in äthiopischer Haft

Tuesday 25th, August 2015 / 15:44 Written by

 

CC-BY-SA 4.0: „All members of Zone9“ von Endalk.chala

Mitglieder von Zone9 (Dezember 2012) CC-BY-SA 4.0: „All members of Zone9“ von Endalk.chala

In Äthiopien befinden sich vier regierungskritische Blogger des kollektiv betriebenen Blogs „Zone9“ seit 487 Tagen in Haft, ohne dass bisher ein Urteil gesprochen wurde. Stattdessen wurde der Prozess wiederholt vertagt. Den Bloggern wird vorgeworfen gegen das Anti-Terrorgesetz verstoßen zu haben. „Zone9“ widmet sich politischen und sozialen Themen, die insbesondere junge Äthiopier*innen ansprechen. Menschenrechte und die Rechenschaftspflicht der Regierung stehen dabei im Fokus.

Am 25. und 26. April 2014 wurden sowohl die drei Journalist*innen Tesfalem Waldyes, Edom Kassaye und Asmamaw Hailegiorgis als auch die sechs Blogger*innen Atnaf Berahane, Befekadu Hailu, Abel Wabela, Mahlet Fantahun, Natnael Feleke und Zelalem Kibretsechs mit dem Vorwurf verhaftet, gegen das Strafgesetzbuch und das Anti-Terror-Gesetz verstoßen zu haben: In ihrer Arbeit sollen sie Unterstützung von den verbotenen Oppositionsbewegungen „Ginbot 7“ und der „Oromo Liberation Front (OLF)“ erhalten und versucht haben, die Regierung gewaltsam zu stürzen. Beide Organisationen gelten in Äthiopien als Terrororganisationen. Soliyana Shimeles, ebenfalls Mitglied von Zone9, wurde in Abwesenheit angeklagt.

Neben diesen Punkten wird den „Zone9“-Blogger*innen vorgeworfen, auf verschlüsselte Kommunikation zurückgegriffen, Training zur Herstellung und Verwendung von Sprengstoff erhalten und Verbindungen zu dem oppositionellen Fernsehsender ESAT zu haben, der als Sprachrohr von „Gibot 7“ fungieren soll. Leslie Lefkow, stellvertretende Direktorin für Afrika bei Human Rights Watch, meint dazu: „Wenn Menschenrechtsaktivist*innen und Blogger*innen versuchen ihre Privatsphäre online zu schützen, ist das kein Terrorismus, [sondern] gesunder Menschenverstand.“ Äthiopien sollte ihrer Meinung nach, ebenso wie andere Regierungen, hingegen helfen, die Sicherheit von Aktivist*innen und Journalist*innen durch Verschlüsselung zu unterstützen, statt sie für deren Verwendung zu bestrafen.

Nachdem vergangenen Monat, noch vor Beginn des Äthiopienbesuchs Barack Obamas, fünf der insgesamt neun angeklagten Blogger*innen völlig unerwartet aus der Haft entlassen wurden, hofften Sympathisant*innen, dass das Gericht, in seiner gestrigen Verhandlung, schließlich ein Urteil zu Gunsten der vier verbleibenden Angeklagten Befeqadu Hailu, Natnael Feleke, Atnaf Berahane und Abel Wabella fällen würde. Doch der Prozess wurde zum 36. Mal vertagt. Am 7. September 2015 soll es zu einer weiteren Anhörung kommen.

Das harsche Vorgehen gegen kritische Stimmen ist kein Einzelfall in Äthiopien: Laut Human Rights Watch sind seit 2010 mindestens 60 Journalist*innen ins Exil geflohen. Des Weiteren sind mindestens 19 Journalist*innen inhaftiert. Der Fall der Zone9-Blogger*innen sorgt auch international für Aufmerksamkeit: Der britische Botschafter Greg Dorey verfolgte persönlich den Prozess. Des Weiteren sollen, laut Social Media, auch Vertreter*innen der US-Amerikanischen und kanadischen Botschaft anwesend gewesen sein.

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Texteschreiber und Fotomacher. Freier Journalist. Kunst und Kultur, weil sie Grenzüberschreitungen ermöglichen. Auch andere Themen. Studium der Regionalstudien Asien/Afrika (B.A.) und Afrikawissenschaften (M.A.) mit Ostafrika-Schwerpunkt an der Humboldt-Universität zu Berlin und der University of Nairobi. Catch up with me via twitter: @d_kossmann

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