Nnimmo Bassey: “Afrika wird wieder kolonisiert”
Bei der Demonstration “Wir haben es satt” am 22. Januar 2011 in Berlin ging es den meisten Demonstranten um eine gesunde Ernährung, Nahrungsmittel ohne Giftstoffe und eine humane Behandlung von Nutzvieh. Für Afrika hat die Agrarpolitik Europas jedoch verheerende Auswirkungen. Eufrika.org sprach mit dem nigerianischen Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten Nnimmo Bassey.
„Wenn ich sage, dass Afrika ein Opfer in dieser ganzen Sache ist, dann wäre ich nicht weit von der Wahrheit entfernt. Das wäre die Wahrheit.“
Der Mann der diese Worte spricht, ist aus Nigeria angereist, um bei der Demonstration unter dem Motto „Wir haben es satt“ in Berlin zu sprechen.
„Diese Versammlung heute hier ist so entscheidend, weil wir die Stimme der Menschen erheben müssen, gegen ein System von Agrarproduktion das eindeutig in die falsche Richtung geht.“
Es sind klare Worte, die der nigerianische Umweltschützer und Träger des alternativen Nobelpreises 2010, Nnimmo Bassey, gefunden hat. Bassey ist zu der Demonstration auf Einladung des BUND, dem deutschen Mitglied des internationalen Zusammenschlusses von Umweltorganisationen „Freunde der Erde“, dessen Vorsitzender er ist, gekommen. Er ist angereist, um auf der Abschlusskundgebung der Demonstration zu sprechen. Mit eufrika.org sprach er über die Auswirkungen, die die europäische Agrarpolitik auf sein Heimatland und auf ganz Afrika hat.
„Denn die Nahrungsmittelproduktion in Deutschland, in Europa, hat direkte Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion in Afrika. Weil durch Handelsbeziehungen eine Menge der Nahrungsmittelüberproduktion nach Afrika abgestoßen wird, auf die Märkte Afrikas geworfen wird. Und durch politische Manipulation wird das auf eine Art und Weise gemacht, dass die lokale Produktion verzerrt wird, lokale Produktion wird aufgehalten und viele Bauern in Afrika werden aus ihrem Beruf gedrängt.“
Bassey ist bekannt geworden durch seinen Kampf gegen den Ölgiganten Shell, dessen Ölfelder und Pipelines im Nigerdelta im Südwesten Nigerias zu einer andauernden Ölpest geführt haben. Sein Engagement für den Umweltschutz ist aus seinem Einsatz für Menschenrechte heraus gewachsen. Der gelernte Architekt wurde in der 80ger Jahren zum Menschenrechtsaktivist und ein Mitglied des Vorstandes der Nigerian Civil Liberties Organisation. Als im Jahr 1990 bei einer Demonstration gegen Shell in dem Ort Umuechem 80 Menschen erschossen und die Häuser von 495 weiteren Menschen zerstört wurden, wandte er sich dem Kampf gegen die Ölindustrie in Nigeria zu. 1993 war er Mitbegründer der Environmental Rights Action (ERA), einer nigerianischen NGO, die sich den Kampf für Umweltschutz als Menschenrecht auf die Fahnen geschrieben hat.
Der Kampf gegen die Praktiken der Ölindustrie, die in Nigeria das Leben so vieler Menschen gefährden, der Einsatz für Umweltschutz als Menschenrecht und der Protest gegen die Agrarpolitik Europas sind für ihn alles Dinge die zusammengehören.
„Abgesehen vom Kampf gegen die zerstörerischen Praktiken der Ölkonzerne, habe ich mich schon immer mit der Erzeugung von Hunger in der Welt beschäftigt. Denn Hunger ist kein Zufall. Hunger ist konstruiert, abgepackt und durch industrielle landwirtschaftliche Produktion an die Welt verkauft.“
Bassey setzt sich ein für die Rechte der Menschen. Dafür, dass sie von ihren Regierungen gehört werden.
„[...]Unser gemeinsamer Kampf ist es, Regierungen und die Menschen zusammen zu bringen. In anderen Worten, der Kampf für volle Souveränität. Und der Kampf für politische Souveränität. Die Menschen müssen ihre Stimme auf den Korridoren der Macht wiederfinden. Tatsächlich müssen wir die Macht der Menschen wiederherstellen. Denn die Regierungen hören mehr auf das, was Industrien sagen, und auf internationalisierte Institutionen, und diese Institutionen sind von den Regierungen Europas und Nordamerikas dominiert.“
Um dieses Ziel zu erreichen, so glaubt Bassey, müssen die Menschen auf der Welt zusammenarbeiten. Die Probleme, die durch Umweltverschmutzung, Klimawandel, Agrardumping und andere Praktiken entstanden sind, ließen sich seiner Meinung nach nur durch gemeinsames Handeln lösen. Gemeinsames Handeln, dass die Grassroots Bewegungen der westlichen Welt und Afrikas zusammenbringt, dass die Handlungsmöglichkeiten, die Reichweite und Effektivität der einzelnen Akteure erhöht. Zusammenarbeit statt individuellem Aktivismus, der nur den Wettbewerb anheizt, ist für ihn die Formel, dass Afrika und der Westen gemeinsam die Folgen des Klimawandels bewältigen können.
„In allen Ländern Afrikas, über den gesamten Kontinent Afrikas und auch in Europa müssen sich die Landwirte zusammentun. Es geht darum Brücken zu bauen, damit wir zusammen aktiv werden, um damit die Probleme zu lösen. … Sofern wir nicht in der Lage sind weltweit zusammenzuarbeiten und solidarisch miteinander zu arbeiten, werden wir die Probleme nicht lösen.“
Dabei können auch die Lösungsansätze selbst zu Problemen werden. Sogenannte Biokraftstoffe werden von vielen westlichen Regierungen und der Industrie als Alternativen zu fossilen Brennstoffen gepriesen. Das wird aber von zahlreichen Umweltschützern und Menschenrechtlern scharf kritisiert, da zum Anbau der Kulturpflanzen, die dann zu Treibstoff verarbeitet werden, wie zum Beispiel Mais, Soja und auch Jatropha, viel Land und andere Ressourcen wie Wasser gebraucht werden. Große Konzerne kaufen Land auf, vor allem in Afrika, um auf diesem Biokraftstoffe anzubauen.
Dies ist ein Thema, dass auch bei Bassey einen Nerv trifft. Hier findet sich das Kernstück dessen wieder, wofür er sich einsetzt. Das Recht der Menschen auf eine saubere Umwelt, aber auch auf ein menschenwürdiges Dasein. Diese Rechte werden seiner Meinung nach mit Füßen getreten, wenn Konzerne unter dem Deckmantel des Umweltschutzes Land in Besitz nehmen, um dort Pflanzen für die Produktion von Biokraftstoffen anzubauen.
„Afrika wird wieder kolonisiert. Arme Bauern werden von ihrem Land vertrieben. Die Menschen werden betrogen. Land wird gestohlen. Nicht bezahlt. Sondern gestohlen. Denn die Abkommen sind nicht transparent. Und die wahren Bedürfnisse der Menschen werden ignoriert.“
Obwohl sich Bassey gegen die Ölindustrie engagiert und eine Abkehr der Welt von ihrer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen fordert, ist er kein Anhänger von diesen sogenannten Biokraftstoffen. Sicherlich hat das mit dem Phänomen der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für den Anbau für die dafür notwendigen Pflanzen zu tun. Dies ist aber nicht der einzige Grund. Für Bassey ist die Idee, fossile Brennstoffe durch Biokraftstoffe zu ersetzen, absurd. Biokraftstoffe seien nur eine andere Form fossiler Brennstoffe. Stattdessen müsste die Welt sich von fossilen Brennstoffen verabschieden und echte erneuerbare Energiequellen finden.
„Die Idee, dass Bio-Kraftstoffe oder Aggro-Kraftstoffe eine Lösung sein könnten, dass sie die Welt von den fossilen Brennstoffen wegführen könnten, ist nur eine bequeme Lüge. Ich glaube, jeder weiß, dass das nicht passieren kann.“
Woran er statt dessen glaubt, ist, dass es möglich ist, dass es durch das Zusammenwirken von Menschen in der ganzen Welt möglich sei, die Regierungen, dazu zu bewegen, sich für die Belange der Menschen einzusetzen.
„Dies ist eine Sache, um die Regierungen der Welt zu verpflichten, zuzuhören. Auf die Stimme der Vernunft zu hören. Und es braucht alle Menschen, weltweit, zusammenzukommen, um zu kämpfen.“
Text: Anika Stegeman
Mitarbeit: Marius Münsterman und Leontine Buss
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