Afrikas Maker: Mehr als nur die nächste Revolution

Tuesday 18th, November 2014 / 00:35 Written by

 Die Maker-Bewegung ist heute mehr als ein neuer Trend zum Basteln und Selbermachen. Sie hat auch das Potential, die Wirtschaft zu revolutionieren. Doch nicht nur in den Garagen des Westens wird derzeit eifrig getüftelt. Im Vorfeld der Messe Make Munich haben wir Chika Okafor getroffen, den nigerianischen Maker und Producer der Maker Faire Africa. Wie viele seiner Kollegen steht er für einen Kontinent im Aufbruch.

Auf der Maker Faire Africa präsentiert sich ein Kontinent voller Kreativität und Erfindergeist. Die jährlich und an wechselnden Standorten stattfindende Messe stellt selbst erdachte Erfindungen und technische Lösungen für oft alltägliche, dafür meist umso dringlichere Probleme vor. Der Nachhaltigkeitsaspekt spielt dabei oft eine entscheidende Rolle.

„Viele halten Making für die nächste industrielle Revolution. Doch es geht um weit mehr“, sagt Okafor. Schließlich hätte bereits die erste industrielle Revolution die Gesellschaft tiefgreifend verändert – und nicht zuletzt Europas Monarchien von der Landkarte gewischt.

Eine Tasche zum Handeln

Als Maker arbeitet Okafor seit Jahren an diversen Projekten. So hat er zum Beispiel eine Tasche entworfen, die das Leben tausender Straßenhändler in Lagos und anderswo verbessern soll. Dabei handelt es sich um ein gut durchdachtes Multifunktionsgerät, das die unterschiedlichsten Probleme jener Menschen adressiert, die auf den überfüllten Straßen afrikanischer Metropolen arbeiten und dort beispielsweise Essen an Autofahrer verkaufen. Von der Verkehrssicherheit über die Umwandlung in einen schlichten Rucksack bis hin zur Isolierung für warme Speisen ist dabei an alles gedacht.

„Trotzdem will niemand ein Straßenhändler bleiben“, sagt Okafor. So enthält die Tasche ein zusätzliches Fach, in dem sich Unterlagen und Utensilien für den Schulunterricht verstauen lassen. Damit will er den Händlern, in Nigeria „Hawker“ genannt, auch den Weg zur Weiterbildung und dem sozialen Aufstieg erleichtern. Hergestellt wird die Tasche aus recycelten PET-Flaschen. Doch ob sie wirklich im großen Stil zum Einsatz kommen wird, hängt wie bei vielen ähnlichen Projekten vor allem von der weiteren Finanzierung ab.

Wie die Maker zur Messe kommen

Neben der oft schlechten Infrastruktur stellt die Finanzierung derzeit eines der größten Hindernisse für die große Zahl afrikanischer Erfinder dar. „Die Maker Faire bietet ihnen eine wichtige Plattform, wo sie sich vernetzen und Sponsoren finden können“, erklärt Okafor. Die Messe selbst trägt sich heute über Geldgeber wie die Rockefeller Stiftung oder die African Innovation Foundation. Über die konkreten Messen hinaus fehlt es aber oftmals an Mitteln, um aussichtsreiche Projekte bis zur Marktreife voranzutreiben.

Auch für die Maker Faire bedarf es umfangreicher organisatorischer Maßnahmen. „Viele spannende Erfinder findet man schlichtweg nicht über Google oder Facebook“, so Okafor: „Deswegen ist es wichtig, vor Ort einen Fuß auf den Boden zu bekommen.“ Von aussichtsreichen Projekten in den verschiedenen Winkeln Afrikas erfährt man oft erst in persönlichen Gesprächen. So reisen auch im Vorfeld der diesjährigen Maker Faire in Johannesburg Freiwillige durch Nachbarländer und ländliche Gegenden. Dort treffen sie Tüftler und Erfinder, deren Projekte eine größere Öffentlichkeit verdient hätten, die aber aufgrund Geldmangels oder fehlender Informationen andernfalls nicht anreisen würden.

Kreative Lösungen für dringende Probleme

2012 sorgten auf der Maker Faire in Lagos vier nigerianische Schülerinnen für größeres Aufsehen. Sie hatten einen Generator entwickelt, der aus Urin Strom erzeugt – eine Idee, die im europäischen Kontext wohl allenfalls belächelt würde. An Orten ohne funktionierende Stromnetze können sie aber eine rohstoffunabhängige und vor allem günstige Grundversorgung mit Strom gewährleisten. Mit der Förderung, die dem Projekt über die Maker Faire zuteil wurde, ist es mittlerweile gelungen, den Generator so weiterzuentwickeln, dass er auch für den Start keine Stromzufuhr von außen mehr benötigt.

Urin powered generator (CC-BY 2.0:  Erik (HASH) Hersman)

Ein mit Urin betriebener Generator (CC-BY 2.0: Erik (HASH) Hersman)

Eine weitere Preisträgerin dieser Messe hatte eine Art Lastenrad entwickelt, mit dem heute in Nigeria insbesondere PET-Flaschen und Aluminium im großen Stil für das Recycling gesammelt werden. Über ein einfaches Punktesystem werden die Sammler an den Einnahmen beteiligt.

Afrika der Tüftler und Denker

Anders als zum Beispiel in Deutschland scheinen „Maker“ in vielen Teilen Afrikas etwas ganz Natürliches zu sein. Wo der Großteil der Bevölkerung im informellen Sektor arbeitet (beispielsweise in kleinen Handwerks- oder Agrarbetrieben), ist man es schon lange gewohnt, die Dinge in die eigene Hand zu nehmen. Dabei beschäftigen sich natürlich nicht alle Maker mit so grundsätzlichen Problemen wie der Müllentsorgung oder Stromversorgung.

Was sehr vielen Makern aber fehlt, ist der Zugang zur nötigen Ausrüstung und der Öffentlichkeit, um bereits erdachte Lösungen auch anderen zugänglich zu machen. So plant Chika Okafor einen zentralen Maker-Space in Lagos. Hier soll ein Ort geschaffen werden, an dem sich die verschiedensten Maker dieser lebhaften Metropole treffen und Geräte wie Materialien finden können.

„Making ist ein bisschen wie die Liebe“, sagt Okafor. „Wir ziehen uns alle gegenseitig an und helfen einander.“ Letztlich ginge es allen Erfindern vor allem darum, anderen Menschen etwas zurückzugeben. Für Maker bedeutete dies in erster Linie „Empowerment“: die Menschen zu befähigen, die Probleme der Menschheit zu lösen.

Dieser Artikel wurde zuerst auf und mit freundlicher Genehmigung von utopia.de veröffentlicht.

Über den Autor

Rudolf Krux

Rudolf Krux schreibt und arbeitet für utopia.de. Er hat vergleichende Religionswissenschaft, Philosophie und Soziologie mit Schwerpunkt auf dem Verhältnis zwischen Wirtschaft und Kultur studiert und ist Autor mehrerer Publikationen in diesem Bereich. 

Diesen Artikel empfehlen bei:
  • Facebook
  • Twitter
  • MisterWong
  • Google Bookmarks
  • del.icio.us

eufrika on Facebook