Ägypten: Hafenarbeiter blockieren Tränengas-Lieferung „made in USA“
Hafenarbeiter am Suezkanal haben eine Ladung von 7,5 Tonnen Tränengas blockiert. Die Lieferung ist der erste Teile eines Handelsabkommens mit einem Gesamtvolumen von 21 Tonnen. Absender ist ein Waffenproduzent aus den USA, dessen Gaskartuschen in den vergangenen Tagen massenhaft auf den Straßen von Kairo zu finden waren. Nach den jüngsten Ausschreitungen zwischen staatlichen Sicherheitskräften und Demonstranten, die gegen die Militärregierung protestieren, hatten Augenzeugen und Ärzte den massiven Einsatz eines unter Umständen tödlichen Reizgases kritisiert.
Als das Containerschiff Danica am Dienstag im Abadiya-Hafen anlegte, hätten sich die für die Löschung der Ladung zuständigen Arbeitskräfte wutentbrannt geweigert, berichtet die ägyptische Tageszeitung al-Ahram. Entsprechende Dokumente, die der Aktivist Medhat Eissa von Hafenarbeitern erhalten habe, zeigten, dass die Lieferung für das Innenministerium bestimmt sei. Aus den Dokumenten ginge ebenfalls hervor, dass die Lieferung von Dienstag lediglich die erste von drei Schiffsladungen mit Tränengas sei, die im Laufe der Woche mit einem Gesamtvolumen von 21 Tonnen in Ägypten eintreffen sollen. Hersteller des Tränengases ist die Firma Combined Systems Inc., ein Waffenproduzent aus Jamestown in Pennsylvania.
Bei dem nun blockierten Tränengas soll es sich um das gleiche Erzeugnis handeln, das in den vergangenen Tagen in Kairo zum Einsatz kam. Neben mehreren Schwerverletzten, denen die mittels Druckluft abgefeuerten Gasgranaten durch direkten Beschuss an Kopf und Oberkörper schlugen, häuften sich zuletzt auch Berichte über den angeblichen Einsatz eines besonders aggressiven Gasgemisches. Ärzte auf dem Tahrir-Platz, die die Verwundeten notdürftig versorgten, äußerten sich besorgt über die Symptome von Demonstranten, die den Gasschwaden der staatlichen Sicherheitskräfte ausgesetzt waren. Unter Berufung auf eigene Untersuchungen heißt es auf der Nachrichtenseite bikyamasr.com bei dem auf dem Tahrir-Platz eingesetzten Gas handele es sich um ein seit 1972 in den USA für militärische Zwecke verbotenes CR-Gemisch*, das neben akuten Atemproblemen schwere Herz- und Nierenschäden hervorrufen könne. Bereits geringe Dosen des vom United States Army Centre for Promotion and Preventive Medicine als „hochgiftig“ eingestuften Tränengases könnten ohne Frischluftzufuhr oder ärztliche Behandlung tödlich wirken. Die Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften hatten sich in den letzten Tagen immer wieder in die teils engen Gassen um den Tahrir-Platz verlagert, wobei seitens der Demonstranten eine im Vergleich zu den Ausschreitungen zu Beginn des Jahres spürbar erhöhte Reizgaskonzentration kritisiert wurde. Entsprechend äußerten die Demonstranten in Kairo jetzt ihre Solidarität mit den Hafenarbeitern im Osten des Landes.
Bereits bei den Demonstrationen gegen die Regierung Mubaraks zu Beginn des Jahres hatten sich die Protestierenden in Ägypten ebenfalls über den Einsatz US-amerikanischen Tränengases beschwert. Besonders brisant ist der Vorwurf, Teile der militärischen Unterstützung an Ägypten seien aus Mitteln des Security Assistance Funds finanziert worden. Die US-Regierung verneinte dies, gab jedoch zu, in der Vergangenheit Exporte US-amerikanischer Waffenproduzenten und der Regierung in Kairo genehmigt zu haben. Seit kurzem existiert eine Petition, in der die US-Regierung zum sofortigen Aussetzen aller Tränengasexporte nach Ägypten aufgefordert wird.
* Die Abkürzung CR steht für das Tränengas Dibenzoxazepin (Dibenz[b,f]-1,4-oxazepin), das 1962 etwickelt wurde. CR wird seit 2000 auf einer Liste der nachweis- und kontrollpflichtigen Waffenausfuhren der EU geführt und heute nur noch vereinzelt von der britischen Polizei oder militärischen Spezialeinheiten verwendet.
Mehr zu diesem Thema:
Petition des Human Rights Watch: Stop supplying tear gas to the Egyptian army
Augenzeugenbericht der ZEIT: Die Tränengas-Hölle von Kairo
Spiegel Online: Sicherheitskräfte setzen mysteriöses Tränengas ein
Huffington Post: Egypt: American Tear Gas, Policy loom over Tahrir Square
Das International Centre for Conversion in Bonn (BICC) über den Waffenhandel Deutschlands mit Ägypten im Jahr 2011: Informationsdienst Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte – Länderportrait Ägypten