Angola: “32 Jahre sind genug”

Tuesday 27th, September 2011 / 01:40 Written by

 Im südwestafrikanischen Angola wächst der Widerstand gegen den dienstältesten afrikanischen Herrscher José Eduardo dos Santos.

Nach einer Demostration unter dem Motto “32 Jahre sind genug” am 3. September seien 18  Demonstranten festgenommen nach einem chaotischen Verfahren zu Haftstrafen von bis zu 90 Tagen verurteilt worden, schreibt Johannes Beck für die Deutsche Welle. Es sei während der Demonstration zu Ausschreitungen gekommen, die jedoch laut Human Rights Watch nicht von Demonstranten, sondern von Provokateuren ausgegangen seien. Aufnahmen von euronews.net zeigen das harte Durchgreifen der Polizei gegen die Demonstranten. Unter den Verhafteten waren laut Freemuse auch die Rapper Dionísio Casimiro “Carbono” und Jeremias Aniceto “Explosivo Mental”, deren Songs von der Regierung zensiert werden. Am 8. September zog ein Protestmarsch zur US-Botschaft in Luanda, um auf die Verletzungen der Menschrechte der Inhaftierten, die in unbekannten Gefängnissen und ohne Zugang zu ihren Anwälten festgehalten würden, aufmerksam zu machen. Weitere 30 Demonstranten wurden verhaftet.

Die Proteste der zumeist jungen und politisch keiner Richtung zuzuordnenden Demonstranten orientierten sich am Beispiel Ägyptens und Tunesiens.

Sie seien jedoch mit jeweils nur einigen hundert Teilnehmern noch sehr viel kleiner, so BBC News Africa. Trotzdem werde die regierende Partei MPLA vor den Wahlen im nächsten Jahr nervös, mobilisiere große regierungsfreundliche Demonstrationen und versuche, die Protestierenden einzuschüchtern. Präsident dos Santos, seit 1969 im Amt, werden Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen. Der nach dem Sturz Gaddafis dienstälteste afrikanische Herrscher hat laut Tribune de Genève ein Privatvermögen von 31 Milliarden US-Dollar im Ausland angelegt. Auch seine Legitimation wird angezweifelt, da er nie eine Präsidentschaftswahl gewonnen hat und erst 2010 eine Verfassung in Kraft trat, laut der der Vorsitzende der regierenden Partei automatisch Staatspräsident ist. Seitdem haben allerdings keine Parlamentswahlen in Angola mehr stattgefunden.

Beobachter sehen das südafrikanische Land in einem langsamen Wandel, den die Regierung mit allen Mitteln verhindern will.

Paula Roque vom Institute for Security Studies (ISS) im südafrikanischen Pretoria wird von der BBC zitiert: “Ich glaube nicht, dass wir den Tornado haben werden, wie wir ihn in Nordafrika gesehen haben. Doch sicherlich beginnt langsam ein Wandel.”
Die Deutsche Welle interviewte den angolanischen Analysten Orlando Castro, der die Geheimpolizei des Landes der Gewalttaten bezichtigt: “Meiner Meinung nach ist der Grund für diese Repression, dass die Regierung Angst hat, dass die Beispiele aus Tunesien, Ägypten und Libyen auch in Angola Schule machen könnten. Das ist durchaus nachvollziehbar, da es sich in Angola um ein autoritäres Regime handelt, das auf sehr undemokratische Weise die Meinungsfreiheit einschränken möchte.”
Die AG Friedensforschung zitiert Pedro Seabra vom Institut für Internationale Beziehungen und Sicherheit in Lissabon, der Angola aller Repressionen zum Trotz ebenfalls im Wandel sieht: “Vor zwei Jahren war es undenkbar, dass Bürger mit Plakaten auf die Straße gehen und ein Ende der Präsidentschaft dos Santos fordern.”

Dieser Wandel könnte laut der portugiesischen Zeitschrift Económico nun dazu führen, dass dos Santos zu Gunsten Manuel Vincentes, des Vorsitzenden der staatlichen Erdölgesellschaft Sonangol EP, auf die Präsidentschaftskandidatur verzichten wird. Vincente steht seit 2008 in der Kritik der Anti-Korruptions-NGO Maka Angola, da er sich selbst 1% aller Einnahmen von Sonangol gutgeschrieben habe.

Nach 27 Jahren Bürgerkrieg befindet sich Angola seit 2002 in einem enormen wirtschaftlichen Aufschwung mit zweistelligem Wirtschaftswachstum – an dem aber ein Großteil der Bevölkerung nicht teilhat. Zwei Drittel der Angolaner leben von weniger als 2 US-Dollar am Tag, die Infrastruktur des vom Bürgerkrieg gezeichneten Landes ist auch 9 Jahre nach dessen Ende in desolatem Zustand, und die meisten Einwohner der Hauptstadt Luanda können sich ein Leben außerhalb eines Armenviertels nicht mehr leisten.

In Deutschland war Angola zuletzt im Sommer 2011 wegen eines Rüstungsdeals Thema.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bei ihrem Besuch im Rahmen ihrer Afrikareise in die rohstoffreichen Länder Nigeria, Kenia und Angola dem ehemals sozialistischen Staat unter anderem einen von der Opposition heftig kritisierten Vertrag über die Lieferung von sechs bis acht Patrouillenbooten der Bremer Lürssen Werft im Wert von 60 Millionen Euro in Aussicht gestellt.

Es bleibt abzuwarten, ob bis zu den Wahlen, die für Oktober 2012 geplant sind, ein wirklicher politischer Wandel in Angola stattfinden wird. Die Protestbewegungen in Afrika scheinen sich jedenfalls nicht mehr aufhalten zu lassen.

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