Das Experiment Aquakulturen

Tuesday 28th, June 2011 / 00:45 Written by

 Sind Artenschutz, Bestandsregulierung und Nachhaltigkeit mit Wirtschaftlichkeit und Nahrungssicherheit vereinbar? Malawi experimentiert mit alternativen Aquakulturen.

In der Nachbarschaft zu riesigen Flächenstaaten wie Tanzania oder Zambia gehört der Binnenstaat Malawi zu den Zwergen im südöstlichen Afrika. 23 Prozent des Landes sind mit Wasser bedeckt. In den nationalen Gewässern wie Lake Malawi, Malombe, Chilwa, Chiuta oder den größten Flüssen Shire, Linthipe, Bua, Dwangwa, Rukuru und Songwe betreibt die lokale Bevölkerung seit jeher Fischfang. Angesichts der jahreszeitlich begrenzten Ernteerträge erlauben die Gewässer vielen Malawiern wichtige Einkommens- und Nahrungsalternativen.

 

 

Foto: Johannes Schäfer

Foto: Johannes Schäfer

Mit knapp einem Viertel der Landesfläche stellt der Malawisee die größte Wasserfläche Malawis dar. Er ist etwa 29.000 Quadratkilometern groß, erstreckt sich über 700 km und ist damit der drittgrößte und vor allem der tiefste See des Kontinents. Damit fügt er Malawi in das „Afrika der großen Seen“ ein, das den ostafrikanischen Grabenbruch von Äthiopien bis Zimbabwe ausfüllt. Ein derart großes Gewässer bietet natürlich auch Lebensraum für eine Vielzahl von Fischarten. Mit einer Artenvielfalt von schätzungsweise 800 Buntbarscharten zählt der Malawisee zu den artenreichsten Binnengewässern der Welt. Der Export dieser gefragten Aquarienfische nahm in den letzten zehn Jahren stark zu und ist mittlerweile fester Bestandteil der Exportstatistiken. Doch neben diesen Zierfischen, die sich in den Aquarien Europas tummeln, dominieren vor allem drei Arten den Fischereisektor Malawis: der Chambo, Catfish und Usipa.

Die unterschiedlichen Arten der Fischerei

Man unterscheidet allgemein zwischen zwei Bereichen der Fischerei: Zum einen existiert der small-scale commercial-Sektor, zum Anderen der sogenannte large-scale commercial-Sektor. Lokale Fischer mit ihren geringen Fangmengen betreiben meist Subsistenzwirtschaft oder bedienen mit marginalen Überschüssen die lokalen Märkte. Berichte schätzten diese Fänge jährlich auf etwa 45.000 Tonnen.

Der large-scale commercial-Sektor betrifft im Gegensatz dazu die kommerzielle Befischung. Dabei ist MALDECO Fisheries Limited Malawis größtes Fischereiunternehmen. Es verkehren zurzeit 14 Fangflotten, die vor allem die tieferen Regionen des Malawisees befischen, Fangtiefen von 50 bis 100 Metern jedoch nicht überschreiten dürfen. Der erwirtschaftete Ertrag beläuft sich in diesem Sektor jährlich auf etwa 5.600 Tonnen und macht damit etwa 21 Prozent der jährlichen Gesamtfänge des Malawisees aus.

Die ökonomische Bedeutung der Fischerei

Der Fischfang in Malawi bringt jährlich etwa 24 Millionen US-Dollar ein. Damit steuert dieser Wirtschaftszweig nach Angaben des Fishery Country Profile der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) einen Anteil von 4 Prozent dem Bruttoinlandsprodukt Malawis bei. Die Landwirtschaft hat vergleichsweise einen Anteil von 37,6 Prozent (beide Angaben beziehen sich auf 2003).

Noch 1998 beliefen sich die Fischexporte auf gerade einmal knapp über 100 Kilo, was einem Wert von nicht mehr als 250 US-Dollar entsprach. 2002 hingegen exportierte Malawi bereits 159,5 Tonnen Fisch, die dem Land schätzungsweise 170.000 US-Dollar einbrachten. Es sind unter anderem diese Zahlen, die zeigen, dass Fischerei in Malawi weiteres Potential hat. Die jährlichen Fanglizenzen dagegen unterlagen immer strengeren Ausgabekriterien, der Export von Fisch ging zurück.

Anhand der rückläufigen Fangquoten wird jedoch auch deutlich, dass besonders der Chambo mittlerweile in hohem Maße überfischt ist. Die Regierung versuchte deshalb in den vergangenen Jahren, die Bestände zu regulieren, indem sie Schonzeiten für bestimmte Fischarten einführte.

Dabei ist ein Faktor aber nicht ganz unerheblich: Die Einhaltung solcher Schonzeiten lässt sich vielleicht im Bereich des kommerziellen Fischfangs überwachen. Auf lokaler Ebene ist eine Kontrolle der Fangmengen nahezu unmöglich. Da Fisch einen großen Teil der Nahrungsversorgung besonders an den Ufern des Malawisees darstellt, werden Schonzeiten oder Fangbeschränkungen von lokalen Fischern nur selten eingehalten.

Die sozio-ökonomische Bedeutung des Fischfangs

Die Fischerei spielt für die Bevölkerung wie in vielen anderen Gegenden der Welt auch, eine bedeutende Rolle in Bezug auf Protein- und Nahrungszufuhr, Einkommen und Beschäftigung. Fisch liefert etwa 60 Prozent der tierischen Proteine, die Malawier zu sich nehmen und stellt einen wichtigen Beitrag zur täglichen Ernährung dar.

Zudem schafft die Fischereiindustrie viele Arbeitsplätze. 2005 ging man davon aus, dass 50.000 Fischer direkt beschäftigt waren und schätzungsweise 350.000 Menschen indirekt vom Geschäft mit dem Fisch profitierten. Somit gewannen auch Branchen wie Transport, Vertrieb, die Herstellung von Netzen, der Bootsbau oder das Reparaturgewerbe von Motoren und Booten an Bedeutung.

Das Problem der Überfischung

Die Erträge gingen mehr und mehr zurück, die Menschen am Malawisee sahen sich zunehmend mit dem Problem der Überfischung konfrontiert.

In der Folge stiegen die importierten Fischmengen aus Ländern wie Zimbabwe, Südafrika, Tanzania, Mozambique, Namibia oder gar Thailand, was Malawi in eine weitere Abhängigkeit vom Ausland treibt. Durch eine nachhaltige Bewirtschaftung der Ressourcen in den eigenen Gewässern wären Importe eigentlich überflüssig.

2005 ist der jährliche Fischkonsum pro Person zwar verglichen mit dem der Achtziger auf 5 Kilogramm zurückgegangen. Ein Bevölkerungswachstum von 2,8 Prozent (2005 – 2010) und die starke Urbanisierung haben den Bedarf an Fisch insgesamt jedoch weiter in die Höhe schnellen lassen.

Wegen der Überfischung weiter Teile des Malawisees muss man sich nun also nach Alternativen zur herkömmlichen Fischerei umsehen. Möglichkeiten bestünden zum einen in der Befischung anderer, bislang weniger genutzter Tiefenzonen, darf der Malawisee doch gegenwärtig nur bis zu einer maximalen Tiefe von 100 Metern befischt werden, an manchen Stellenist er  jedoch bis zu 700 Meter tief ist. Zudem bieten sogenannte Aquakulturen ungeahnte Potentiale.

Das Experiment mit Aquakulturen

2006 erwuchs aus dem National Strategic Plan die Presidential Initiative on Aquaculture Development (PIAD). Sie sieht eine wirtschaftliche Entwicklung durch erhöhte Fischproduktion vor. Auf Fischfarmen sollen die gewünschten Mengen gezüchtet werden. Die ersten Projekte startete MALDECO Fisheries Limited. Sie setzten dabei auf die Käfigzuchtform, die direkt in den Gewässern installiert werden kann.

Eine andere Form ist die Farm, bei der die Fische in eigens dafür gebauten Aufzuchtbecken herangezogen werden. Laut dem Department of Fisheries of Malawi ist die Fischproduktion in Aquakulturen von etwa 200 Tonnen 1995 in nur sieben Jahren auf über 800 Tonnen gestiegen. Doch immer noch entfallen nur 2 Prozent des malawischen Bruttoinlandsprodukts auf Erträge aus Aquakulturen.

Mit neuen Aquakultur-Projekten könnte ein bedeutender Beitrag zur Nahrungssicherheit und zur Landnutzung in Malawi geleistet werden. Die neuen Fischfarmen könnten die Versorgung entlegenerer Regionen ermöglichen.

Die Landwirtschaft ist in Malawi abhängig von den Regenfällen zwischen November und April. Während dieser Periode ist die landwirtschaftliche Produktion am höchsten. Die verbleibenden trockenen Monate des Jahres sind allerdings landwirtschaftlich nicht ertragreich. Nun würde auch während der trockenen Monate die Nahrungsproduktion in Form von Fisch möglich.

Allerdings macht vielen Farmern das langsame Wachstum der Fische in den künstlichen Becken zu schaffen. Anfangs kommt es oftmals zu einem Leerlauf, Erträge bleiben aus.

Zudem wird fehlende technische Unterstützung bemängelt, ohne die eine effektive Fischzucht beinahe unmöglich ist. Dennoch ist man zufrieden mit den entstandenen Märkten und den Preisen, die der Fischverkauf einbringt.

Neben dem enormen wirtschaftlichen Potential der Aquakulturen kann Malawi auch von den Fehlern der Fischzucht in anderen Regionen lernen, die von der übermäßigen Eutrophierung ihrer natürlichen Gewässer bedroht sind.

 

Zugrundeliegende Berichte:

(1) “The Fish Sector and Its Importance in Malawi”, ESA MEETING ON TRADE AND SUSTAINABLE APPROACHES TO FISHERIES NEGOTIATIONS UNDER WTO/EPA, Organised by the Commonwealth Secretariat and the Indian Ocean Commission with the support of the United Kingdom Department for International Development (DFID) and the Deutsche Geselleschaft fur Technische Zusammenarbeit (GTZ)

www.thecommonwealth.org/shared_asp_files/GFSR.asp?NodeID=162743

 

(2) “Fishery Country Profile of the Republic of Malawi”, Food and Agriculture Organization of the United Nations

www.fao.org/fi/oldsite/FCP/en/MWI/profile.htm

 

Diesen Artikel empfehlen bei:
  • Facebook
  • Twitter
  • MisterWong
  • Google Bookmarks
  • del.icio.us

About the author

Fields of work: Environment, Fisheries, History, Countries: Malawi, Democratic Republic of Congo (DRC), Rwanda, Zimbabwe Part of eufrika.org since: January 2011

View all articles by David Drengk

eufrika on Facebook