“Das ist natürlich auch purer Eigennutz” Niebels neuer Masterplan für Afrika

Friday 14th, December 2012 / 02:15 Written by

  

Großes Wirtschaftswachstum, lukrative Absatzmärkte: Afrikas "Potentiale" haben deutschen Unternehmen bereits erkannt. Gut so, sagt Entwicklungsminister Dirk Niebel von der FDP.

Wirtschaft, Wohlstand, Wachstum: deutsche Unternehmen haben Afrikas “Potentiale” erkannt. Gut so, sagt Entwicklungsminister Dirk Niebel.

Entwicklungsminister Dirk Niebel will “zwei Kulturkreise” in eine bessere Zukunft leiten. Zusammen mit der Stiftung Partnerschaft mit Afrika hat das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die “Afrika-Initiative” ins Leben gerufen. Die Initiative soll dem Ansatz “Zuhören, Lernen, Verstehen und Handeln in einem partnerschaftlichen Miteinander, das diesen Namen verdient“ folgen. Zum feierlichen Auftakt ihrer neuen Afrika-Strategie glänzt die crème de la crème der deutschen Entwicklungspolitik dann aber doch lieber mit gewohntem Obrigkeitsgehabe.

Häppchen gibt es im Überfluss. Konkretes suchen die gut 400 Gäste bei der Auftaktveranstaltung im Berliner bcc indes vergeblich.

In den nächsten drei Jahre sollen “partnerschaftlich initiierte Projekte” entwickelt und die Zivilgesellschaft in Deutschland und Afrika gestärkt werden. Dabei sind “Aktivitäten” in sieben sogenannten “Aktionsräumen” geplant, die von frühkindlicher Bildung bis zur “wirtschaftlichen Zusammenarbeit” reichen.

Es scheint nicht einmal klar zu sein, in welchen Ländern Afrikas die „aktive Gestaltung“ ansetzen soll. Stattdessen ist von „Afrika“ die Rede und von seinen „Potentialen“. Das sind vor allem die lukrativen Absatzmärkte, die deutsche Unternehmen bereits erkannt haben. Deutschland soll den Anschluss im Wettrennen auf seinem eigenen Nachbarkontinent nicht verlieren – und dafür braucht es neben den vorhandenen ökonomischen Anreizen auch politisches Geleit, so der Tenor. Insofern passt der Titel: Das BMZ macht Zukunft.

Auszüge aus der Auftaktveranstaltung der „Afrika-Initiative“ am 11.12.2012. geben einen Eindruck von den entwicklungspolitischen Visionen der Bundesregierung.

Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel wollte sein Amt vor der Wahl abschaffen, jetzt ist er zuversichtlich: „Wir machen Zukunft. Machen Sie mit.” ist das Motto der Afrika-Initiative des BMZ. 

Aus der Eröffnungsrede von Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Die Afrika-Initiative hat das Ziel, ein modernes Afrika-Bild in Deutschland zu vermitteln und ein modernes Deutschland-Bild in Afrika. Hier sollen sich zwei Kulturkreise auf Augenhöhe begegnen. Als eine zeitgemäße Partnerschaft auf Augenhöhe.

Ein Beispiel für die Potentiale, die erkannt werden sollen, möchte ich aus Kamerun beisteuern, wo ich beinahe einen Monat verbracht habe. Eine deutsche Düngemittelfirma hat in Kamerun das Potential erkannt, dass dort Düngemittel gebraucht wird.

Es geht um politische Begleitung, damit Engagement durchgeführt werden kann. Studien sagen voraus, dass die Weltbevölkerung bis 2050 auf 9 Milliarden Menschen anwachsen wird. Das bedeutet, dass die weltweite Lebensmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden muss. Um 70 Prozent!  Hier bietet Afrika große Potentiale. Das meine ich nicht nur in Bezug auf Rohstoffe – das auch – sondern vor allem hinsichtlich der Agrarflächen. Im dicht besiedelten Europa ist eine solche Steigerung kaum möglich. Afrika hat das Land, das man hier nicht hat. Das ist natürlich auch purer Eigennutz.“

 

Aus der Publikation der Stiftung Partnerschaft mit Afrika e.V.:

Der Initiative liegt dabei ein weit gefasster und vielfältiger Engagement-Begriff zugrunde: Engagement als Zeichen von Empathie und Verantwortungsbewusstsein für die Gemeinschaft, Engagement als individuell geprägter Wunsch neue Erfahrungs- und Aktivitätsräume kennenzulernen und Engagement als Ausdruck für das Öffnen neuer Partizipations- und Gestaltungschancen für alle Mitglieder der Gesellschaft.

Dabei sollen in den afrikanischen Ländern Dynamiken zur Verstärkung von Ansätzen für gute Regierungsführung und der zivilgesellschaftlich basierten Hilfe zur Selbsthilfe zu verstärkt werden, während parallel in Deutschland neues Interesse am Thema Afrika erzeugt und damit ein Beitrag zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus geleistet wird.“

 

Menschenrechtsaktivistin und Autorin Waris Dirie fand klare Worte für ihre Forderungen an die internationale “Entwicklungszusammenarbeit”

Aus dem Mund von Menschenrechtsaktivistin und Buchautorin Waris Dirie klingt der Kommentar zur Initiative anders: In klaren Worten verdeutlicht sie in ihrer Eröffnungsrede, wie wenig die (deutsche) Politik afrikanische Wirklichkeiten zur Kenntnis nehme. Dirie prangert die fehlende Unterstützung afrikanischer Frauen an, den fehlgeschlagenen Kampf gegen Gewalt und Hunger. Wo hier ein “von Empathie für ein differenziertes Afrikabild geprägtes Engagement” entspringen soll, bleibt offen.

Die großen Umwälzungen im deutschen “Afrika-Engagement” passieren gerade. Dafür sorgt die Wirtschaft von selbst, aus reinem “Eigennutz”, wie Niebel richtig erkannt hat. Solange die Verantwortlichen ihre Arbeit weiter in Worthülsen kleiden und ihre “Projekte” zum Ende der Finanzierungsperiode mit leeren Händen derstehen lassen, bleibt Entwicklungspolitik bei dieser Form des Fortschritts weiter nichts als ein zahnloser Begleiter.

Trotzdem. “Merken sie sich schon jetzt den 25. Mai 2013 vor”, frohlockt Dirk Niebel am Ende. An diesem bundesweiten “Afrika-Tag” sollen in vielen Städten Deutschlands “Afrika-Feste” stattfinden. Man darf gespannt sein, ob der Wein so gut ist wie bei der Auftaktveranstaltung.

 

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