Dürre in Ostafrika – Die aktuelle Situation, Hintergründe, Hilfsorganisationen

Tuesday 04th, October 2011 / 12:39 Written by

 Seit Wochen leidet Ostafrika unter der schlimmsten Dürre seit 60 Jahren. Am stärksten betroffen sind die Länder Somalia, Djibouti, Äthiopien und Kenia. Über 13 Millionen Menschen leiden mittlerweile unter den Folgen der Dürre und des Hungers. Die Ursachen für die aktuelle Situation sind vielfältig. Hilfsorganisationen sind seit Wochen im Einsatz, um das Schlimmste zu verhindern. Teilerfolge der Hilfseinsätze dürfen jedoch nicht über den Ernst der Lage und eine Verschlechterung der Situation hinwegtäuschen.


 

Die Situation in den betroffenen Regionen

Mittlerweile sind 13,3 Millionen Menschen von der Dürre betroffenen, darunter fast 1 Million Flüchtlinge. Die Hungersnot hat sich bereits bis in die Bay Region in Somalia ausgeweitet. Die UN hat dort auch offiziell die Hungersnot ausgerufen, da die Zahl der Todesfälle durch Hunger und Dürre sprunghaft angestiegen ist. Zehntausende Menschen sind bereits gestorben, mehr als die Hälfte davon Kinder. 750.000 Menschen sind in dieser Region in akuter Lebensgefahr – im Juli waren es etwa 350.000. Die Unterernährungsrate bei Kindern in der Bay Region liegt bei fast 60 Prozent und ist damit 4-mal höher als die Notfallgrenze.
Insgesamt wurde bereits in sechs von acht Regionen im südlichen Somalia die Hungersnot ausgerufen. Die Zahl der Betroffenen in ganz Somalia ist in den letzten Monaten von 2,4 Millionen auf 4 Millionen angestiegen. Schätzungen gehen von 450.000 unterernährten Kindern landesweit aus. 190.000 von ihnen sind in ernsthafter Lebensgefahr. Krankheiten wie Cholera, Masern und Malaria verschlimmern die gesundheitliche Situation zusätzlich. 1 Million Somalier befinden sich darüber hinaus auf der Flucht in andere Länder. Allein die Grenze von Somalia nach Kenia wird täglich von 1.200 Menschen überquert.

Die Zahl der Flüchtlinge in Dadaab, Kenia, dem größten Lager der Welt ist mittlerweile auf über 430.000 angestiegen, bei einer Auslastungskapazität von 90.000. Tausende Kinder sind akut unterernährt. Zum Hunger kommt die zusätzliche Bedrohung durch Krankheiten wie Masern, Malaria und Diarrhö. Insgesamt sind in Kenia 4,3 Millionen von der Hungerkatastrophe betroffen.

In Äthiopien sind über 4,8 Millionen Menschen von den Folgen der Dürre betroffen. Die vier Flüchtlingscamps in Dollo Ado, Äthiopien, beherbergen fast 122.000 Flüchtlinge. Über 80 Prozent von ihnen sind unter 18 Jahre alt. Die Unterernährungs- und Sterblichkeitsraten in diesen Camps sind erschreckend angestiegen.

In Djibouti sind in den nordwestlichen Regionen Obock und Tadjoura und der südwestlichen Ali Sabeh-Region ca. 146.000 Menschen direkt vom Hunger bedroht. Im Flüchtlingscamp Ali Addeh befinden sich momentan fast 20.000 Menschen, obwohl es nur Kapazitäten für 12.000 Menschen besitzt. Täglich kommen circa 800 Menschen in dem Camp an, im April waren es noch 400 pro Tag. Die Mehrheit der Flüchtlinge stammt aus der Krisenregion Somalia. Insgesamt leiden in Djibouti 165.000 Menschen an den Folgen der Dürre.

Hintergründe

Bei der aktuellen Hungersnot handelt es sich vermutlich um die schlimmste der letzten 60 Jahre. Eine Erklärung für die aktuelle Situation ist sehr komplex, es lassen sich aktuelle und grundlegende Ursachen unterscheiden.
Die Jahre 2010 und 2011 waren seit 1950-51 die trockensten Jahre in der Geschichte Kenias und Äthiopiens. In den letzen zwei Jahren hat es nur gelegentlich unterdurchschnittlich ausgeprägte Regenzeiten gegeben und in manchen Gebieten Kenias herrschte fast durchgehend vollkommene Trockenheit. Der Ernteausfall zwingt die Menschen, ihre Nahrungsmittel auf dem Markt zu kaufen. Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Weizen und Maise sind durch Nahrungsmittelknappheit und Spekulationen auf dem Weltmarkt massiv gestiegen. Durch den Preisanstieg können sich die Menschen weniger leisten, essen weniger und sind so anfälliger für die Folgen von Krisen.

Die grundlegenden Ursachen für die gegenwärtig dramatische Situation in Ostafrika sind vielfältig. Die Gründe sind vor allem in den klimatischen Bedingungen, der strukturellen Armut, der schlechten Infrastruktur, den bewaffneten Konflikten und der schlechten Regierungsführung zu finden. Aber auch in der fehlenden Verantwortungsübernahme der internationalen Gemeinschaft gegenüber den Menschen vor Ort liegen die Ursachen. Denn Verantwortungsübernahme heißt Eingrenzung der Nahrungsmittelspekulationen und die aktive Begrenzung des Klimawandels. Langfristige Gründe sind:

  • Steigende Temperaturen, als Folge des Klimawandels, und das regelmäßig auftretende Wetterphänomen La Niña sind die klimatischen Gründe für die Trockenheit
  • Die anhaltende Trockenheit hat die Ernten der vergangenen Jahre in vielen Regionen verringert oder ganz zerstört. Fehlende Wasser- und Futterquellen schwächen zudem das Vieh, so dass es weder ausreichend Milch und Fleisch abgibt, noch zum Verkauf geeignet ist. Damit verlieren die Viehzüchter nicht nur ihre Nahrung, sondern auch ihr komplettes Einkommen.
  • Vielerorts in Ostafrika fehlt es zudem noch immer an ausreichender Infrastruktur und Versorgungssystemen. Die Trinkwasserversorgung muss ausgebaut und Investitionen in Bewässerungsanlagen für die Landwirtschaft gesteigert werden. Nur so kann auch in Dürrezeiten die Produktion von Nahrungsmitteln garantiert werden.
  • Der anhaltende Konflikt in Somalia lässt den Staat führerlos und schwächt die Bevölkerung zusätzlich. Die Menschen müssen aufgrund der Kämpfe immer wieder ihre Dörfer und Felder verlassen und können folglich ihre Felder nicht bestellen und ernten. Die Sicherheitslage erschwert auch die Arbeit von Hilfsorganisationen im Land.
  • Nahrungsmittelspekulationen leben von hohen Preisschwankungen. Händler sind deswegen bestrebt eine große Handelsmenge von beispielsweise Weizen oder Mais am Weltmarkt anzukaufen um den Preis künstlich in die Höhe zu treiben. Dies sind ein Missbrauch und eine Manipulation der Nahrungsmittelpreise, welche einen  starken Einfluss auf die Hungerkrisen weltweit haben. Auf dem G20 Finanzministertreffen  im September soll ein Vorschlag über die Beschränkung von Handelsmengen diskutiert und hoffentlich auf dem G20-Treffen im November in Cannes von den Staats- und Regierungschefs beschlossen werden.

Die Arbeit der Hilfsorganisationen

Viele internationale Hilfsorganisationen sind seit Wochen am Horn von Afrika im Einsatz um die Not zu lindern. Die Mitgliedsorganisationen von Gemeinsam für Afrika, ziehen nach drei Monaten Einsatz eine erste Zwischenbilanz: Mindestens sechs Millionen Menschen konnten in den vergangenen Wochen mit Nahrungsmitteln, Wasser, Medizin und Notunterkünften versorgt werden. Mit akuter Nothilfe sowie langfristig und nachhaltig angelegten Hilfseinsätzen erreichen die Organisationen betroffene Regionen in Kenia, Somalia, Äthiopien, Tansania und Djibouti. Ein besonderer Fokus der Hilfe liegt auf der Versorgung der Kinder unter fünf Jahren.

„Wir haben es geschafft, sechs Millionen Menschen mit unserer Hilfe zu erreichen. Trotz des oft problematischen Zugangs kommen die Nahrungsmittel und Medizin dort an, wo sie dringend gebraucht werden. Insbesondere für die Kinder sind die Hilfseinsätze oft die letzte Rettung“, erklärt Susanne Anger, Sprecherin von Gemeinsam für Afrika. „Allerdings müssen wir uns darauf einstellen, noch viele Monate unmittelbare Überlebenshilfe zu leisten. Besonders da sich nach Einschätzung der Hilfsorganisationen, die Situation am Horn in den nächsten Wochen verschärfen wird“, ergänzt Anger.

Jüngster Erfolg der Anstrengungen ist das Eintreffen einer Lebensmittellieferung von World Vision, Mitgliedsorganisation von Gemeinsam für Afrika, in der abgelegenen kenianischen Provinz East Pokot. 125.000 Menschen können dort nun mit Reis, Salz, Speiseöl und Trinkwasser versorgt werden. Im äthiopischen Flüchtlingscamp Dollo Ado sind unterdessen dringend benötigte Pakete mit Spezial- und Aufbaunahrung eingetroffen, mit denen die Kindernothilfe aktuell 15.000 unterernährte Kinder behandelt. Das Medikamentenhilfswerks action medeor konnte in den letzten drei Monaten 17 Tonnen Arzneimittel, Infusionen und Spezialnahrung in die betroffenen Gebiete liefern. „Damit kann das Leben von Hunderttausenden Kindern gerettet werden!“, verdeutlicht Susanne Anger. Besonders aktiv sind die Organisationen in den Flüchtlingslagern. Im weltgrößten Flüchtlingscamp Dadaab in Kenia versorgt CARE mit 270 überwiegend kenianischen Mitarbeitern und unter Einbeziehung von 1.600 Helfern aus dem Camp über 400.000 Flüchtlinge mit Nahrung und Wasser.

Neben der akuten Soforthilfe sind die Hilfsorganisationen auch mit Hygienemaßnahmen, Wasseraufbereitungstechniken, Bildungsmaßnahmen, Versorgung der Viehherden, psychologischer Betreuung, Gesundheits- und Ernährungsberatung, Saatgut-Verteilung sowie Hilfsgüterverteilung für Binnenflüchtlinge aktiv.

Diese erfolgreichen Anstrengungen dürften nicht über den Ernst der dramatischen Lage im Katastrophengebiet hinwegtäuschen. Über 13,3 Millionen Menschen seien mittlerweile von der Dürre betroffen. Hunderttausende befänden sich noch immer in akuter Lebensgefahr. Zehntausende Opfer, hauptsächlich Kinder, habe die Dürre bereits gefordert. In manchen Regionen liege die Unterernährungsrate von Kindern bei fast 60 Prozent. Die Krise habe ihren Höhepunkt noch nicht erreicht, warnt Gemeinsam für Afrika.
Mit einer Entspannung der Lage ist nach Einschätzung der Helfer vor Ort auch im Herbst nicht zu rechnen. Auch der für Oktober erwartete Regen würde die Situation nicht wesentlich mildern. Bis zu drei Regenperioden seien nötig, damit sich die Lage für die Menschen normalisiert.
Die UN sprechen von einer vorstellbaren menschlichen Tragödie“ und einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt“.

Quellen:

http://www.unocha.org/

www.gemeinsam-fuer-afrika.de

 

 

 

 

 

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