Elfenbeinküste – Chronik eines alten Konflikts

Sunday 10th, April 2011 / 11:26 Written by

 Fünf Monate nach den Präsidentschaftswahlen in der Elfenbeinküste verschanzt sich Laurent Gbagbo mithilfe von angolanischen Soldaten in einem Bunker unter dem Präsidentenpalast. Währenddessen ruft sein Widersacher Alassane Ouattara zur Versöhnung des Volkes und zur Beendigung der Zeit Gbagbos auf.

Fünf Monate lang gab es zwei Präsidenten in Abidjan, der ökonomischen Hauptstadt. Anfangs regierte der eine, Ouattara, ein Hotel und die internationale Meinung, der andere, Gbagbo, den Rest des Landes. Nun, nach dem Zusammenbruch des Banken-, Wirtschafts- und des Gesundheitssystems, nach Erliegen der Pressearbeit und noch ungezählten zivilen Opfern tritt Ouattara am 07.04. vor das staatliche Fernsehen und fordert die nationale Versöhnung.

Hat der rechtmäßig gewählte Demokrat nun endlich den trotzig an seiner Macht festhaltenden Diktator vom Thron gefegt? Oder leistet ein anti-imperialistischer Märtyrer bis zum letzten Moment heroischen Widerstand gegen eine westliche Verschwörung? So sicher sich sagen lässt, dass keine von beiden Versionen die Wahrheit trifft, so schwierig ist es, den Konflikt tatsächlich zu beurteilen. Um ihn zumindest verstehen zu können, muss man den Werdegang des Konflikts dieser beiden Politiker, in deren Handeln das Schicksal eines Landes liegt, kennen.

Der Student und Gewerkschaftler Gbagbo

Als Laurent Gbagbo Ende der 60er Jahre in Abidjan Geschichte studiert, ist die Elfenbeinküste ein Wirtschaftswunder des afrikanischen Kontinents. Die Wachstumszahlen bewegen sich in Bereichen, die heute nur noch Länder wie China aufbringen können, der Export von Kakao und Kaffee boomt, es müssen sogar Menschen aus den nördlichen Nachbarländern wie Burkina Faso und Mali kommen, um auf den Feldern zu arbeiten. Der Präsident Félix Houphouët-Boigny integriert diese Gastarbeiter in die Verwaltungsebene: Eine Toleranz, die später nicht mehr selbstverständlich sein wird.

Der Student Gbagbo engagiert sich in der Studierendenorganisation UNEECI (Union nationale des étudiants et élèves de Côte d’Ivoire), die der Staatspartei PDCI (Parti démocratique de Côte d’Ivoire) kritisch gegenübersteht. Dort und als Gewerkschafter erlebt er die Repressionen des Staates mit Gefängnisaufenthalten und Strafdiensten. 1982 gründet er im Untergrund die Partei Front populaire ivoirien (FPI), woraufhin er sechs Jahre ins französische Exil geht.

Währenddessen stagniert die ivorische Wirtschaft aufgrund niedriger Kakao- und Kaffeepreise, die die Staatsverschuldung in die Höhe schießen lassen.

1990 – Gbagbo und Ouattara treten in die legale Politik ein

Zwei Jahre nachdem Gbagbo als Oppositioneller in die Elfenbeinküste zurückkehrt, taucht der im Ausland sehr erfolgreiche Ökonom Alassane Ouattara in der Politik auf. 1990 ernennt ihn Houphouët-Boigny zum Präsidenten eines Komitees zur Durchführung eines Wirtschaftsstabilisationsprogrammes in Zusammenarbeit mit dem IWF und der Weltbank.

Später wird Ouattara der erste Premierminister seit der Unabhängigkeit und damit der wohl wichtigste Politiker in der Staatspartei nach dem Präsidenten. Im gleichen Jahr beschließt Houphouët-Boigny nach Straßenmanifestationen das Mehrparteiensystem, und Gbagbos FPI wird legal.

1993 stirbt der erste Präsident der Unabhängigkeit Félix Houphouët-Boigny, und mit seinem Tod verschlechtert sich das Verhältnis von Ouattara zur ehemaligen Einheitspartei PDCI.

So beschließt der Nachfolger im Präsidentenstuhl, Henri Konan Bédié, 1994 ein Gesetz, das die Anwendung des “concept d’ivoirité” bei Präsidentenwahlen vorschreibt. Es kann fortan nur noch kandidieren, wer in der Elfenbeinküste geboren ist und für dessen Eltern das gleiche gilt. Ouattara, aus dem Norden kommend und mit familiären Bezug zu Burkina Faso, kann dies nicht nachweisen und so bei den Wahlen 1995 nicht kandidieren. Auch Gbagbo verurteilt das Gesetz als rassistisch, xenophob und gefährlich. Damit soll er Recht behalten.

In den folgenden vier Jahren sitzen Gbagbo und Ouattara zusammen im oppositionellen Lager, letzterer wird 1999 zum Kopf der RDR gewählt, Ergebnis einer Abspaltung von der PDCI. Die Wirtschaft stagniert derweil weiter und ethnische Konflikte zwischen Nord- und Südbevölkerung im Lichte des “concept d’ivoirité” werden immer deutlicher.

Präsidentschaftswahlen 2000

Bei den Wahlen 2000 wird Ouattara erneut nicht als Kandidat zugelassen und damit endgültig zur Identifikationsfigur für den Norden. Anhänger der RDR liefern sich in den folgenden Tagen Straßenschlachten mit denen der FPI. Die Spaltung des Landes erreicht einen Spannungsmoment, der schließlich 2002 die Rebellion im Norden des Landes auslöst. Während der Kämpfe und verschiedener Massaker beider Seiten sterben tausende Menschen. Nur mithilfe der französischen Armee können die Rebellen schließlich daran gehindert werden, das Land zu erobern. Indem die Rebellengruppen als Parteien wie die MPCI (Mouvement patriotique de Côte d’Ivoire) in das System integriert werden, wird der bewaffnete Konflikt gelöst und eine UN-Mission in der Elfenbeinküste installiert. Gbagbo bezichtigt Ouattara, den Coup gestartet zu haben, der dementiert dies. 2005 unterzeichnen Laurent Gbagbo, Alassane Ouattara, Guillaume Soro (MPCI) und Henri Konan Bédié einen Friedensvertrag, der unter anderem die Teilnahme Ouattaras an den nächsten Präsidentschaftswahlen vorsieht.

Präsidentschaftswahlen 2010

Im November 2010 erfolgt schließlich die Wahl. Die Wahlkommission CEI und die UN erklären Ouattara zum Sieger, während der Verfassungsrat Gbagbo den Wahlsieg zuspricht. Sowohl die UN als auch die Afrikanische Union scheitern in Vermittlungsgesprächen. Während der internationale Druck auf Gbagbo steigt, beginnen sich im Nordwesten des Landes wieder Rebellentruppen zu bilden, die Ouattara unterstützen. Als diese bis nach Abidjan vordringen, haben sich dort schon längst Straßenkämpfe zwischen jungen Milizen entflammt und wieder werden auf beiden Seiten Massaker begangen. Noch immer setzen sich die Kämpfe und humanitären Missstände fort. Der Aufruf Ouattaras zur nationalen Versöhnung wird es schwer haben, gehört zu werden.

Siehe auch:

Die Zeit: “Präsidenten mit dunkler Vergangenheit”

Die FAZ: “Unzählige alte Rechnungen”

RFI: “Portrait d’Alassane Ouattara”

RFI: “Portrait de Laurent Gbagbo”

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