Europas Angst vor Unruhen in Tunesien
Angesichts der anhaltenden Proteste in Tunesien wächst auch in Europa die Angst vor einem Sturz der dortigen Regierung, die lange Zeit als verlässlicher Komplize jenseits des Mittelmeers galt. Präsident Ben Ali schaffte es bisher mit massiven Repressalien, trotz der sozialen Ungleichheiten in seinem Land sich und seine Familie an der Macht und das Volk unmündig zu halten – auch Dank Unterstützung aus Europa, das in ihm einen verlässlichen Partner gegen illegale Migration und den islamistischen Terrorismus sieht. Nun fürchtet das wackelnde Regime die Macht moderner Kommunikationsmittel, die mittlerweile eine entscheidene Rolle bei der Organisation der Proteste spielen.
Die Unruhen, die vor über zwei Wochen nach dem Selbstmord eines Studenten ihren Lauf nahmen, galten in den meisten Medien bislang als Ausdruck bürgerlicher Unzufriedenheit gegenüber dem tatenlosen Umgang der Regierung mit der enormen Arbeitslosigkeit des nordafrikanischen Landes. Zuletzt hatte die Unnachgiebigkeit der Protestierenden und das brutale Vorgehen staatlicher Sicherheitskräfte laut Angaben der BBC in der Nacht von Montag auf Dienstag erneut vier Todesopfer gefordert. Der harte Kurs von Präsident Ben Ali kann derweil als klares Zeichen gegen das Aufbegehren der Demonstranten nach politischem Wandel interpretiert werden. Deren Proteste hatten sich ausgehend von strukturschwachen ländlichen Regionen zunehmend flächendeckend und über alle gesellschaftlichen Schichten ausgebreitet. So kam es zuletzt auch in der Hauptstadt Tunis zu ersten Demonstrationen, an denen sich neben Lehrern und Juristen auch der zentrale Gewerkschaftsverband UGGT (Union Générale Tunisienne du Travail) beteiligte, welcher bislang als weitgehend loyal gegenüber dem Regime eingeschätzt wurde. Auch unter der von der Regierung instrumentalisierten Presse des Landes soll es erste Tendenzen zu einem Abweichen von der diktierten Berichterstattung geben – eine beunruhigende Entwicklung für die mit harter Hand herrschende Regierung, deren Führungsstil um die Figur Ben Ali die taz ergründet.
Ferner beleuchtet die Süddeutsche Zeitung die wirtschaftlichen Beziehung Europas – allen voran der ehemalige Kolonialmacht Frankreichs. Deren Profiteuren bereitet die Vorstellung einer Destabiliserung Tunesiens, womöglich mit Auswirkungen auf die gesamte Maghreb-Region, große Sorgen. Neben dem ökonomischen Faktor galt Tunesien lange als zuverlässiger Partner Europas gegen den sogenannten islamistischen Terrorismus. Sollte es nun in Folge eines politischen Umsturzes zu einem neuerlichen Außmaß politischer Instabilität kommen, befürchtet die Europäische Union zusätzliche Flüchtlingsströme aus der Region.
Gleichzeitig richtet sich der mediale Fokus verstärkt auf die hintergründigen Probleme Tunesiens, die fast zwangsläufig zu der Protestbewegung geführt hätten. Die häufig von der Regierung geschönten Angaben über die Arbeitslosigkeitsquote des Landes, die von der Süddeutschen Zeitung in einem Leitartikel der Printausgabe vom 13.01.2010 regional auf bis zu 50% geschätzt werden, verschleierten lediglich die über Jahrzehnte gewachsenen Probleme. So resümiert die Süddeutsche Zeitung: „Die tieferen Ursachen der Krise sind Bevölkerungsdruck und Ressourcen-Armut“, was die hohen Arbeitslosigkeitsziffer erkläre.
Auch die Entlassung des Innenministers, gegen den sich die Proteste neben der im Volk als verschwenderisch geltenden Präsidentengattin Leila Trabelsi hauptsächlich richten, könnte die Protestbewegung nicht langfristig beruhigen. Die Glaubwürdigkeit der korrupten Führungselite (Tunesien wird im Korruptionsindex 2010 von Transparency International auf Rang 59 geführt) sei aufgebraucht. Die schamlose Selbstbereicherung des Familienclans um Ben Ali, die viele Demonstranten der Regierung vorwerfen, müsse weitreichenden strukturellen Anpassungen an die in anderen Sektoren fortschrittliche Situation des Landes weichen. In welchem Maße die Protestbewegung die Fortschrittlichkeit der tunesischen Gesellschaft zu nutzen versteht, bekommt das Regime derzeit zu spüren: Die staatliche Zensur schafft es nicht, die Organisation der Proteste über Kommunikationsmittel wie Facebook und Twitter zu unterbinden.
Würde das Land nicht vor den Toren Europas liegen sondern irgendwo weit weit weg, würde auch die Politik und Medien hier zu lande jubeln weil sich doch Ungerechtigkeit dem Willen des unterdrückten Volkes beugt.
Doch weil es unseren Interessen widerspricht redet man von Störenfrieden und Bemängelt die nunmehr unsicheren Strände einer Urlaubsregion.
Dieses bigotte Verhalten kann einen nur noch anekeln..