Internationale Fangflotten vor Somalia und ihr illegales Geschäft mit dem Fisch

Saturday 28th, May 2011 / 23:15 Written by

 Mit einer Länge von ungefähr 3330 Kilometern weist Somalia den längsten Küstenstreifen des afrikanischen Kontinents auf. Die Gewässer Somalias sind äußerst fisch- und artenreich. Besonders der weltweit begehrte Gelbflossenthunfisch kommt auf Grund des großen Nahrungsangebots in diesen Gebieten zahlreich vor. Somit bietet der Indische Ozean am Horn von Afrika besonders lukrative Fanggründe.

In dieser geographischen Region gibt es eine internationale Fischereiorganisation, die Teil der FAO (Food and Agricultural Organization of the United Nation) ist. Sie ist für ein Gebiet im Indischen Ozean und für unterschiedliche Fischarten zuständig und legt klare Regeln für die Fischerei fest. Dies sind unter anderem Fangbeschränkung, Schonzeiten und Fangverbote. All diese Aspekte sollen der artgerechten Bestandsregulierung dienen. Sämtliche Mitgliedsstaaten haben sich in den Einflussgebieten dieser Organisationen an diese Beschränkungen zu halten.

Die Southwest Indian Ocean Fisheries Commission (SWIOFC) ist eine solche Organisation, deren Aufgabenbereich die Überwachung zur Einhaltung der Gesetze in punkto Umweltschutz und nachhaltiger Fischerei innerhalb ihrer zuständigen Gebiete umfasst. Zudem publiziert die Organisation regelmäßig Berichte zu aktuellen Fangquoten, Fischbeständen in der Region und zu Verstößen bei der Fischerei. Durch den Beitritt zu solch einer Organisation verpflichtet sich ein Staat, Leitsätze und Bestimmungen der selbigen einzuhalten. Dies bezieht sich auch auf die eigenen Hoheitsgewässer, wobei jeder Staat immer noch selbst für seine Gewässer verantwortlich ist und mit einem Beitritt keinesfalls die Souveränität und das Hoheitsrecht in den eigenen Gebieten abgetreten werden.

Das Problem der Raubfischerei vor Somalia

Trotz der geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen kommt es häufig zu Verstößen gegen die Vorschriften der regionalen Fischereiorganisationen und des SRÜ (Seerechtsübereinkommens). Die Gewässer am Horn von Afrika und dabei im Speziellen die vor Somalia scheinen sich für derartige illegale Aktivitäten in besonderem Maße zu eignen. Küstenstaaten wie Somalia, die etwa durch innenpolitische Spannungen und ohne funktionierende Regierung und Institutionen nicht in der Lage sind, das Seegebiet zu kontrollieren, sind besonders lukrativ für illegale Aktivitäten. Derartige Verstöße beim Fischfang werden als illegale, nicht gemeldete und nicht regulierte Fischerei bezeichnet. Wenn also von illegaler Fischerei oder Raubfischerei gesprochen wird, ist damit meist das Phänomen der IUU-Fishery (Illegal, unreported and unregulated fishery) gemeint. „Nicht gemeldet“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Fänge nicht vollständig oder nicht wahrheitsgetreu der nationalen Autorität bzw. regionalen Organisation gemeldet wurden. „Nicht regulierte Fischerei“ hingegen bezeichnet diejenige, welche von Schiffen ausgeübt wird, die entweder nicht gemeldet sind oder die Flagge eines Landes führen, das nicht Mitglied in den verantwortlichen regionalen Organisationen ist. Neben einer systematischen Überfischung der weltweiten Fischbestände stellt die illegale Fischerei ein zusätzliches Problem dar. Sie kann in keinster Weise reguliert und kontrolliert werden, was dazu führt, dass Bestände noch schneller und unvorhersehbarer verschwinden. Ein Problem bei der Bekämpfung von IUU-Fishery ist, dass diese Aktivitäten vor keiner Grenze Halt machen und zudem auf Hoher See geschehen. Die Institutionen und Einheiten, die sich deren Bekämpfung verschrieben haben, sind dagegen weiterhin an geltende internationale Vorschriften gebunden. So wird es beispielsweise kompliziert, illegale Aktivitäten zu verfolgen und zu ahnden, sobald sich diese in Gewässer verschieben, die der nationalen Souveränität eines Küstenstaates unterliegen. In diesen Gebieten obliegt es dem entsprechenden Staat, Vergehen im Fischereirecht und geregelten Recht des SRÜ zu ahnden. Eine Verfolgung durch internationale Institutionen wäre in diesen Bereichen eine Einmischung in nationale Angelegenheiten eines Staates, da es sich um Hoheitsgewässer handelt. Eine enorme Schwierigkeit um Umgang mit der illegalen Fischerei ist im Allgemeinen, dass nicht selten mächtige Wirtschaftsinteressen dahinter stehen. Es gibt eine Reihe von Akteuren, die aktiv von der illegalen Fischerei profitieren: Die Betreiber der Unternehmen versuchen mit ihren Aktivitäten der weltweit stark steigenden Nachfrage an Fisch nachzukommen und ihre Ware auf den Märkten anbieten zu können. Es wird folglich immer Akteure geben, die versuchen, sich Zugang zu solchen Fischbeständen zu verschaffen.

Doch zunächst einige Fakten über die Fischerei vor der Küste Somalias: Man muss unterscheiden zwischen lokaler und industrieller Fischerei. Die Fangmengen der lokalen Fischerei sind nur sehr schwer einzuschätzen, da es keine genauen Erhebungen über die Fänge der Fischer gibt. Die FAO geht daher in diesem Sektor nur von Schätzungen aus. Im Zeitraum zwischen 1980 und 1985 schätzt man, schwankten die Fangerträge zwischen 4000t und 7724t pro Jahr. Insgesamt wird in diesem Zeitraum von einer Fangmenge von ungefähr 14.850 t ausgegangen, woran die Hochseefischerei den größten Anteil mit geschätzten 14.000t hatte. Da die lokalen Fischer mit sehr einfachen Mitteln agieren, gelingt es nicht, eine potenziell mögliche Fangmenge von bis zu 200.000 t Fisch in der AAW (Ausschließliche Wirtschaftszone) Somalias pro Jahr zu erreichen. Die industrielle Fischerei war Mitte der 1970er, als das Land enge Kontakte mit der Sowjetunion pflegte, noch von einem somalisch-russischen Fischereiunternehmen dominiert, das allerdings 1977 zerbrach. Seit dieser Zeit sind es größtenteils ausländische und dabei europäische Fischereiunternehmen, die vor der Küste Somalias den kommerziellen Fischfang betreiben. Dabei werden ihnen die benötigten Fanglizenzen vom somalischen Ministerium für Fischerei und Meeresressourcen ausgestellt. 1983 kam es zudem zu einer Kooperation zwischen Somalia und Italien, woraus die Somali High Seas Fishing Company (SHIFCO) hervorging. Die Flotte des Unternehmens führt seither die somalische Flagge und fischt weiterhin in somalischen Gewässern. Da das Unternehmen seinen Sitz jedoch im Ausland hat und auch die Fänge im Ausland abgefertigt werden, agiert es auch nach dem Staatszerfall weiter und die Gewinne werden in Italien verbucht.

Neben dieser offiziell genehmigten industriellen Fischerei werden die Gewässer vor der Küste Somalias vor allem von bereits erwähnter illegaler Fischerei heimgesucht. Laut Schätzungen der FAO der Vereinten Nationen fischen seit 1991 rund 700 ausländische Schiffe illegal ohne jegliche Lizenzen in somalischen Gewässern. Dabei gehen diese Fangflotten mit Methoden vor, die zum einen verboten sind und zum anderen die Meereswelt nachhaltig zerstören. So ist die Schleppnetzfischerei am Meeresgrund eine Methode, die sämtliche Meeresressourcen zusätzlich befischt, die normalerweise bei herkömmlichen Fangmethoden nicht Teil des Fangs wären. Dieser sogenannte Beifang trägt zu einem Phänomen bei, das nicht nur vor der Küste Somalias zu entdecken ist. Durch derartig rustikale Vorgehensweisen können sich viele Bestände nicht mehr erholen, da selbst die Gewässerbereiche der Tiefsee, die bisher als Rückzugsort dienten, stark befischt werden. Doch IUU-Fischerei gefährdet nicht nur den Fortbestand der Fischbestände, sondern in der Folge auch besonders die Existenzgrundlage vieler lokaler Fischer, die mit ihren Familien an der Küste Somalias vom Fischfang leben. Ein Fischer sagte 2009 der Times, nicht die Somalier seien die Piraten. Die eigentlichen Piraten seien ausländische Fangflotten, die vor den Küsten Somalias ungeachtet jeglicher Vorschriften und Gesetze Raubfischerei betrieben. Damit würden sie vielen Somaliern ihre Existenzgrundlage nehmen, wobei sogar aktiv gegen lokale Fischer vorgegangen worden sei.

Der Premierminister Somalias, Omar Abdirashid Ali Sharmarke, sagte 2009 in einer Rede, der Verlust, der jährlich durch illegal getätigten Fischfang in somalischen Gewässern entstehe, bewege sich im Bereich von Hunderten von Millionen US Dollar. Ein Kommentar der S. Rajaratnam School of Internnational Studies geht von einer Summe zwischen 90 und 300  Millionen US$ aus. Die High Seas Task Force (HSTF) schätzt, dass Fänge, die aus IUU-Fischfang hervorgehen, weltweit jährlich einen Wert von 4-9 Milliarden US$ haben, wobei der Großteil auf Somalia entfalle. Der FAO zufolge handelt es sich jährlich um einen Wert von etwa 94 Millionen Dollar. Die angesprochenen rund 700 Fangflotten kommen aus Ländern wie Kenia, Pakistan, Saudi Arabien, Sri Lanka, Jemen, Frankreich, Honduras, Japan, Südkorea, Spanien und Taiwan. Anhand dieser Liste von Ländern, unter deren Flagge internationale Fangflotten illegale Fischerei vor Somalia betreiben, wird deutlich, welche Brisanz die Thematik für das somalische Meeresgebiet hat und wie bedeutend es für die internationale Fischerei ist.

“Fischerei-Krieg”

Im Jahr 2009 kam es durch Piraten zur Entführung eines Thunfisch-Trawlers der spanischen Rederei Pesqueras Echebaster S.A., der FV Alakrana. Zum Zeitpunkt des Überfalls befand sich der Trawler etwa 800 Meilen vom gesicherten Fischereigebiet entfernt, das von der spanischen Regierung für Schiffe, die unter spanischer Flagge fuhren, festgesetzt war. In der folgenden Debatte um die Freilassung der Crew und des Schiffes kam es immer wieder zu Vorwürfen gegen die spanische Regierung, wonach sie ein Unternehmen in Schutz nehme, das illegale Fischerei vor der Küste Somalias ausübe. Zwischenzeitlich war sogar von einer Art „Fischerei-Krieg“ zwischen Spanien und Somalia die Rede. Dem Kapitän des Schiffes wurde vorgeworfen, sich wissentlich in somalischen Gewässern aufgehalten zu haben, wozu er weder durch geltendes internationales Recht, noch durch offizielle Fanglizenzen befugt gewesen wäre.

Illegalität und Halblegalität

International ist es in Bezug auf illegale Fischerei notwendig geworden, sich mit dem Phänomen der sogenannten flags of convenience auseinanderzusetzen, da es eine Möglichkeit bietet, bestimmten Regularien aus dem Weg zu gehen. Die Fisch-Trawler gehören dabei meist zu einem europäischen Unternehmen, führen jedoch die Flagge eines anderen Landes, in dessen Schiffsregister sie zudem gelistet sind. Das Schiff fällt somit rechtlich gesehen unter die Gerichtsbarkeit des Staates, dessen Flagge es führt. Dies ermöglicht europäischen Unternehmen, die teils strikten Bestimmungen und Anforderungen der Europäischen Union in Bezug auf Fischerei zu umgehen. Der sogenannte Flaggenstaat behandelt die unter seiner Flagge fahrenden Schiffe nach seinem jeweiligen nationalen Recht. Somit ergeben sich gewisse Freiräume, in denen sich internationale Fangflotten theoretisch bewegen dürfen. Dies bezieht sich allerdings auf die Hohe See und schließt die Hoheitsgewässer eines Küstenstaates nicht mit ein. Daher sind auch wirtschaftliche Aktivitäten solcher flags of convenience führender Fangflotten in diesen Gebieten illegal und bewegen sich außerhalb internationalen rechtlichen Rahmens.

Doch neben diesem Problem, besteht desweiteren die Problematik der inoffiziell erteilten Fanglizenzen. Ein somalischer Parlamentsabgeordneter namens Ahmed Awad Ashara sagte 2009 einer Zeitung, die erteilten Lizenzen würden oftmals von Leuten ausgestellt, die nicht dazu befugt seien, wonach solche Lizenzen illegal seien und keinerlei Gültigkeit bestehe. Dennoch werden sie weiterhin genutzt und unter dem Deckmantel der Legalität als offizielle Dokumente gehandelt.

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Fields of work: Environment, Fisheries, History, Countries: Malawi, Democratic Republic of Congo (DRC), Rwanda, Zimbabwe Part of eufrika.org since: January 2011

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