Internationale Marinemissionen und Illegale Fischerei vor Somalia

Sunday 29th, May 2011 / 12:15 Written by

 Bei Betrachtung des bestehenden Problems der illegalen Fischerei vor Somalias Küsten drängt sich die Frage auf, weshalb solche Aktivitäten immer noch möglich sind, obwohl die Problematik allgemein bekannt zu sein scheint. Ein entscheidendes Hindernis bei der Ahndung von Verstößen ist die Tatsache, dass sie sehr oft in somalischen Hoheitsgewässern von statten gehen und diese Gebiete unter die Rechtsprechung des somalischen Staates fallen. Aus den geregelten Hoheitsrechten und seiner staatlichen Souveränität, die Somalia laut dem Seerechtsübereinkommen von 1982 (SRÜ) zustehen, geht hervor, dass normalerweise weder die internationale Gemeinschaft, noch Wirtschaftsakteure in diesen Gewässern befugt sind, Tätigkeiten jedweder Art nachzugehen. Ausgenommen wären jene, die von der somalischen Regierung offiziell dazu befugt wurden und internationale Fisch-Trawler, die beim zuständigen somalischen Ministerium für Fischerei und Meeresressourcen eine gültige Lizenz erworben haben. Doch gilt der somalische Staat seit dem Zusammenbruch der Regierung 1991 international als failed state, der keine ausreichende Kontrolle über sein Territorium mehr ausüben kann. Aus diesem Grund kam es dazu, dass die internationale Staatengemeinschaft durch den UN-Sicherheitsrat zunächst Resolution 1816 erließ. Diese berechtigte sie dazu, in den Gewässern um somalische Hoheitsgewässer unter Berücksichtigung geltenden Seevölkerrechts zur Bekämpfung von Seeräuberei auf Hoher See militärisch gegen Piraterie vorzugehen. Einigen Staaten schienen diese Resolutionen sehr entgegen zu kommen, da sie so mit ihrer militärischen Präsenz in diesen Gewässern eine bestimmte Kontrolle ausüben konnten. So patrouillierten neben der Flotte der europäischen ATALANTA-Mission auch einige Schiffe der russischen, japanischen, indischen, malaysischen, ägyptischen oder der jemenitischen Marine vor den Küsten Somalias. Während diese internationale Marineflotte legitimiert in die Hoheitsgewässer Somalias eindringen darf und den Piraten den Kampf ansagt (geregelt in den folgenden Resolutionen des Sicherheitsrats), bleibt es nicht ungeschehen, dass sich internationale Fangflotten weiterhin in diesen Gewässern aufhalten. Dabei beuten sie unrechtmäßig, ohne jede Fanglizenzen, die heimischen Meeresressourcen aus. Auffallend ist bei der Liste von Ländern, die Marineschiffe entsendet haben oder immer noch entsenden, dass die meisten von ihnen auch Fischereiflotten, die ihre Flagge führen, in diesen Gewässern haben.

Marine-Missionen fördern illegale Fischerei

Es steht außer Frage, dass die Intention der UN-Resolutionen (Res. 1816, 1838 und 1851 des UN-Sicherheitsrates) und der daraus hervorgehenden Marineaktionen darin besteht, die Meeresgebiete im Indischen Ozean und im Golf von Aden vor Piraterie zu schützen und einen geregelten Seehandel in diesen Gebieten sicherzustellen. Es wird angeführt, den internationalen Frieden wahren zu müssen. Doch schafft man mit dieser legitimierten Aktion nicht auch einen gewissen Schutzrahmen für illegale Aktivitäten wie die Raubfischerei? Gesetz den Fall, man versteht die ursprüngliche Piraterie vor Somalia als eine Art Schutzreaktion der lokalen Fischer gegen illegal operierende internationale Fangflotten, so bewirkt man mit derartigen Resolutionen und Militäraktionen genau das Gegenteil: Man verstärkt das Problem der Raubfischerei viel eher, als dass es bekämpft wird. Durch die internationale militärische Präsenz wird auch der Kampf der lokalen Fischer gegen die großen Fangflotten zunichte gemacht. Mit der Bekämpfung dieser selbsternannten Küstenwache, bestehend aus lokalen Fischern, schafft man also folglich wieder weitere Freiräume für die internationalen Fangflotten. Man kann sogar sagen, dass sie aktiv geschützt werden. Führt ein Schiff die Flagge eines entsprechenden Landes, kann es davon ausgehen, dass die dazugehörige Marineflotte das Schiff in seine Obhut nimmt. Die illegale Fischerei wird also in Teilen von der Militäraktion gestützt. Es wird jedoch nicht davon gesprochen, wie somalische Gewässer von illegal agierenden Fangflotten freigehalten werden können.

Fehlende Maßnahmen

Man könnte sich nun die Frage stellen, weshalb in solche Resolutionen nicht auch eine Passage aufgenommen wird, nach der man auch der illegalen Fischerei den Kampf ansagt. Weshalb wird die somalische Übergangsregierung nicht von der internationalen Staatengemeinschaft bei dieser akuten Problematik unterstützt? Gerade in Zeiten der Instabilität Somalias, wäre es eine tatkräftige Unterstützung, die man der Regierung leisten könnte. Die Gewässer vor der Küste Somalias bergen erhebliche Reichtümer an Meeresressourcen, die international immer gefragter werden. Werden sie allerdings verantwortungslos und nicht nachhaltig befischt, wie es in den letzten Jahren der Fall war, wird diese Diversität in naher Zukunft ebenfalls versiegen und nicht mehr nutzbar sein. Die Europäische Kommission äußerte sich 2009 zu der Problematik zwar insofern, als dass der damalige europäische Kommissar für Fischerei, Joe Borg, zusicherte, man werde sich der Thematik annehmen. Vom ersten Januar 2010 an sollte es seiner Aussage nach nicht mehr möglich sein, auf dem europäischen Markt Fisch anzubieten, der aus illegalen Fängen stammt und daher nicht als offizieller Fang zertifiziert werden könne. Doch realpolitisch sind keine konkreten Schritte gegen illegale Fischerei eingeleitet worden.

Einschränkung nationaler Souveränität

Die Ermächtigung der internationalen Staatengemeinschaft durch die verabschiedeten Resolutionen, sich legitimierten Zugang und Handlungsspielraum für die Hoheitsgewässer eines Küstenstaates zu erklären, ist bedenkenswert. Einige Staaten erkannten, dass mit solchen Übereinkommen ihre Souveränität und Sicherheit in ihren Hoheitsgewässern stark eingeschränkt werden könnten. Die ursprünglichen Verhandlungen hatten nämlich die Intention, Resolutionen zu erlassen, die ebenfalls für andere Regionen, in denen Piraterie vorkommt, gelten sollten. So kam es zu Beginn der Sitzungen der geplanten Resolutionen dazu, dass sich eine Reihe westafrikanischer, karibischer und südamerikanischer Staaten gegen derartige Übereinkünfte stellten. Sie befürchteten einen starken Einschnitt in ihre staatliche Souveränität. In der Folge kam es schließlich dazu, dass die erlassenen Resolutionen ausschließlich auf die Küstengebiete Somalias zugeschnitten waren, namentlich festgelegt in Resolution 1838. Da Somalia jedoch keine Vertretung bei den Vereinten Nationen hatte, konnte kein Widerspruch zu solchen Souveränitätseinschnitten eingelegt werden.

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Fields of work: Environment, Fisheries, History, Countries: Malawi, Democratic Republic of Congo (DRC), Rwanda, Zimbabwe Part of eufrika.org since: January 2011

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