Kenia: Handel mit Co2-Zertifikaten umweltfreundlich?

Wednesday 27th, April 2011 / 00:14 Written by

 

View of farmland and forest in rural Kenya, in the north of the country. Photo CC BY-SA 2.0 by Neil Palmer (CIAT)

View of farmland and forest in Northern Kenya. Photo CC BY-SA 2.0 by Neil Palmer (CIAT)

In der kenianischen Hauptstadt Nairobi werden an einer Börse neuerdings Co2-Zertifikate gehandelt – es ist die erste Plattform dieser Art in Afrika. Gemessen an der Umweltverschmutzung führender Industrienationen gilt Kenia ähnlich wie die übrigen Länder des Kontinents für die globale Erwärmung als nahezu unbedeutend. Doch seit der Klimawandel einen Platz auf der Agenda der internationalen Politik gefunden hat, eröffnen sich weniger klimaschädlichen Ländern neue Möglichkeiten, mit ihrer positiven Bilanz Geld zu verdienen. Mit der klimaschädlichen Produktionsweise in reichen Ländern sollen künftig nachhaltige Umwelt- und Energieprojekte in jenen Regionen finanziert werden, die vom Klimawandel schon jetzt am stärksten betroffen sind.

Je nach Markt entspricht eine eingesparte Tonne an Co2 oder ähnlichen klimaschädlichen Gasen einem Zertifikat, von denen allen Unternehmen nur eine gewisse Anzahl ausgestellt wird. Nach einem Modell, das auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern bereits seit einigen Jahren praktiziert wird, können Firmen ihre überschüssigen Zertifikate dann an energiefressende Wettbewerber verkaufen. So sollen nach dem Wunsch der Politik auch die energieaufwendigen Hersteller zu einer umweltfreundlicheren Produktionsweise angeregt werden.

Ähnlich lässt sich der Handel mit Co2-Zertifikaten auch auf staatliche Ebene übertragen – und davon könnten nun vor allem Länder wie Kenia mit einer niedrigen Emissionsbilanz profitieren. Wenn die Vereinten Nationen das Vorhaben bekräftigen, könnten bald klimaschädliche Firmen ihre zusätzlich benötigten Zertifikate von Ländern erwerben, die weit weniger Anteil am weltweiten Co2-Ausstoß haben. Mit den Einnahmen sollen dann gezielt Umweltprojekte und Bauvorhaben zur Nutzung nachhaltiger Energien finanziert werden. Vergleicht man beispielsweise Kenias verschwindend geringen Ausstoß an Co2-Emissionen mit dem führender Industrienationen, erscheint dieser Handel mit offensichtlichen Vorteilen für die klimafreundlichen Verkäufer auf den ersten Blick naheliegend. Doch Kritiker monieren zu Recht, dass der umweltschädlichen Produktionsweise auf diese Weise kein Einhalt geboten wird – man biete den verantwortlichen Unternehmen stattdessen die Möglichkeit, mit ihrer Zahlungsfähigkeit ökologische Nachsicht zu umgehen. Das Aufkaufen zusätzlicher Zertifikate käme somit einem Reinwaschen des Gewissens gleich. Befürworter des Vorhabens heben dagegen hervor, dass klimafreundliche Projekte endlich gewinnbringende Förderung erführen und Firmen so ein Anreiz geboten werde, verstärkt auch auf dem afrikanischen Markt der erneuerbaren Energien zu investieren.

Klimafreundliche Profite statt Brennholz schlagen

Kenias Regierung erhofft sich an der Co2-Börse indes vor allem nicht vorhandene oder schlicht nicht einkalkulierte Gelder zur Förderung des heimischen Energiesektors erzielen zu können, bei der man bisweilen vor allem auf ausländische Gönner angewiesen war. Größte Kapitalanlage könnte dabei der Mau-Wald im Westen des Landes werden. An der Africa Carbon Exchange-Börse in Nairobi werden nämlich auch jene Faktoren miteinbezogen, die sich explizit positiv auf die Klimabilanz eines Landes auswirken. Mit einer Fläche vergleichbar der Niedersachsens ist der Mau nicht nur der größte zusammenhängende Wald Kenias und Teil des weitläufigsten, ursprünglich bewaldeten Gebiets Ostafrikas. Mit seiner natürlichen Fähigkeit zur Umwandlung des klimaschädlichen Kohlendioxids ließen sich nach Einschätzung von Experten jährlich Zertifikate im Wert von bis zu zwei Milliarden Dollar auf den Markt bringen.

Doch der große Mau ist durch schonlose Abholzung bedroht. Dazu trägt neben dem kapitalistischen Raubbau von Agrarkonzernen zur Gewinnung urbarer Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung auch gleichermaßen der Bedarf der Landbevölkerung an Brennholz bei. An dieser Stelle eröffnet sich die einzigartige Möglichkeit, dem desaströsen Roden ein Ende zu bereiten. Dazu bedarf es jedoch ernst gemeinter Anstrengungen seitens der Regierung, die Erlöse aus den Co2-Zertifikaten tatsächlich in nachhaltige Projekte zu investieren. Und diese müssen dann auch der ländlichen Bevölkerung zu Gute kommen.

Doch die Zertifikat-Börse bietet auch Privatpersonen die Möglichkeit, einen Teil zur Reduzierung des Klimawandels beizutragen. Wer Bäume pflanzt und nachhaltig wirtschaftet und der allmählichen Wiederaufforstung so eine Chance gibt, soll zukünftig ebenfalls Zertifikate gutgeschrieben bekommen – und diese handeln dürfen.

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Marius Münstermann is based in Berlin where he works as a freelance journalist. Marius serves as editor-in-chief at eufrika.org.

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