Konflikt-Rohstoffe aus dem Kongo: Unblutige Elektrogeräte für Europa
Im Reichtum an Bodenschätzen wurzeln zahlreiche der blutigsten Konflikte Afrikas. Die Spannungen im Osten und Süden der Demokratischen Republik Kongo halten seit Jahren an. Eine Initiative aus den Niederlanden versucht nun, innerhalb der Europäischen Union gesetzlich verankerte Standards für den Umgang mit sogenannten “Conflict Minerals” zu entwickeln. Das Ziel: Die indirekt tödliche Wirkung der europäischen Nachfrage zu minimieren. Rohstoffe wie Kupfer, Zinn, Gold, Kobalt und die Mineralien der sogenannten Seltenen Erden zählen zu den wichtigsten Ausgangsmaterialien für die weltweit wachsende Elektroindustrie. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung in China oder Indien wachsen in bevölkerungsstarken Schwellenländern die Mittel- und Oberschichten. Mit ihnen schwillt auch die Nachfrage nach Unterhaltungselektronik (Smartphones, Computer), Schmuck (Gold, Diamanten) und wohl bald auch Elektrofahrzeugen an. Ein guter Teil der dafür benötigten Bodenschätze finden sich in der DR Kongo in vergleichsweise gut erreichbaren Lagerstätten.
Das Problem: Die Erträge aus dem legalen und irregulären Abbau versickern nach Einschätzung von Beobachtern nach wie vor zu nicht unerheblichen Teilen in dunklen Kanälen. Die Aussicht auf unkontrollierten Profit, Korruption und unzureichende staatliche Strukturen gelten gemeinhin als wichtigste Ursachen für andauernde Konflikte mit Ausbeutung, Kinderarbeit, Vergewaltigungen, Mord, Vertreibungen und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen.
Um die katastrophalen Auswirkungen des Rohstoffreichtums zu bekämpfen, haben die Vereinigten Staaten bereits im Juli 2010 im Rahmen der Dodd-Frank-Reform zur Regulierung der Finanzmärkte ein Maßnahmenpaket verabschiedet, das von US-Unternehmen lückenlose Transparenz im Umgang mit Rohstoffen aus Konfliktregionen und ethische Standards im Zusammenhang mit Abbau, Handel und Weiterverarbeitung einfordert.
Die sogenannte “Conflict Minerals Provision” ist allerdings nach wie vor noch nicht in Kraft. Unter dem Druck einer kritischen Öffentlichkeit versuchen unterdessen Großkonzerne der Unterhaltungselektronik wie Apple und Intel freiwillig auf Rohstoffe aus Konfliktregionen zu verzichten.
Vor diesem Hintergrund werden nun auch auf parlamentarischer Ebene innerhalb Europas Forderungen laut, den Rohstoffbedarf der europäischen Industrie ebenfalls an ethische und ökologische Standards zu binden. Zwar existieren bereits auf internationaler Ebene seit längerem Pläne zur “Verbesserung der Transparenz in der Rohstoffindustrie”. Allerdings scheinen die Vorhaben der sogenannte EITI-Initiative (“Extractive Industries Transparency Initiative”, kurz: EITI), die auf Beschlüssen von UN, OECD und dem G8-Afrika-Aktionsplan gründen, bislang wenig sichtbare Effekte auf die Lage im Ostkongo zu haben.
Als eine treibende Kraft hinter den Bemühungen um ein EU-Gesetz zum Umgang mit Konflikt-Rohstoffen nennt die Nichtregierungsorganisation “Enough Project” das Somo-Zentrum zur Überwachung internationaler Unternehmen und die Abgeordnete im Europa-Parlament Judith Sargentini aus den Niederlanden.
Weiterführende Informationen dazu:
Großkonzerne im Blick: SOMO – Centre for Research on Multinational Corporations
Ökologie und IT-Nutzung: www.greenbiz.com
Der Paragraph 1502 der Wall-Street-Reform (Dodd-Frank-Act): www.sec.gov
Deutschland und die Rohstoff-Transparenz: www.bmz.de
Die EITI-Standards: www.eiti.org
Die Rolle der USA bei der Kontrolle von “Conflict Minerals”: www.raisehopeforcongo.org
Menschenrechtsverletzungen im Sudan, Kongo und dem Einflussbereich der LRA: www.enoughproject.org
Dodd-Frank bezieht sich nicht nur auf US-Unternehmen, das Gesetz gilt für *alle* an einer US-Börse gelisteten Rohstoffunternehmen und betrifft damit über 80% des Weltmarktes. Für die Implementierung des Gesetzes verantwortlich ist übrigens die Börsenaufsicht. Bei der hängt’s gerade noch. Für den Kongo brächte das nur bedingt etwas, da die beiden Coltan-Marktgrößen Glencore und Bayer nicht an der NYSE gelistet sind.