Ein Kontinent voll zeitgenössischer Kreativität | Ausstellung
Das Vitra Design Museum in Weil am Rhein präsentiert aktuell die Arbeiten von über 120 zeitgenössischen afrikanischen Künstler*innen und Designer*innen. Die Ausstellung „Making Africa – A Continent of Contemporary Design“ bietet einen tiefgehenden Einblick in die vielfältigen Kunst- und Designszenen Afrikas. Sie vermeidet einen pejorativ-europäischen Blick und lässt stattdessen afrikanische Akteur*innen selbst zu Wort kommen. Sie kann noch bis zum 13.09.2015 besucht werden.
Ausgangspunkt der Ausstellung ist das digitale Zeitalter. Es hat die Arbeit afrikanischer Künstler*innen und Designer*innen grundlegend verändert. Das Internet öffnete ihnen ein Tor zur Welt und damit zu einer globalen Ausstellungsfläche. Die afrikanische digitale Generation kann so direkten Einfluss darauf nehmen, wie ihr Kontinent weltweit wahrgenommen wird. Mit ihren Arbeiten durchbrechen die Künstler*innen und Designer*innen dabei oftmals die disziplinären Grenzen von Fotografie, Film, Architektur, Design und Kunst.
Cyrus Kabiru gestaltet beispielsweise in der Serie „C-Stunners“ Brillen, die sowohl Kunstskulptur, Designobjekt, Performancegegenstand als auch Modeaccessoire sind. Es sind große, teilweise überdimensionale, reichlich verzierte, futuristische Brillen – jede mit einer eigenen Geschichte. Auf einem Foto trägt der aus Kenia stammende Künstler die Brille „American Grill“, die etwa dreieinhalbfach so breit ist wie sein eigener Kopf. Man sucht Augenkontakt, wird aber, einem Moskito gleich, von der metallenen Gitterstruktur aufgehalten. Die Brillen sollen beim Aufsetzen eine neue Perspektive verleihen und erinnern gleichzeitig an die Formbarkeit der Wirklichkeit.
Die Grenzen zwischen Fotografie und Film überwindet François Beaurain in seiner GIF-Animation „Monrovia Animated“. Er möchte Liberia in ein anderes Licht setzten, denn ihm zu Folge gibt es „einen großen Unterschied zwischen der Realität des Landes und dem international vorherrschenden Bild.“ Mit sich gefühlt unendlich wiederholenden Bewegungssequenzen im urbanen Raum schafft er urkomische, begeisternde und zum Schmunzeln anregende Momente. Da sitzt beispielsweise ein junger Mann mit großer Sonnenbrille und Dreadlocks vor einer grünen Wand. Vier Dreadlocks bewegen sich über seinem Kopf wie kleine Propeller, als würden diese sich gleich selbstständig in die Luft erheben. In einer anderen Sequenz schaut ein kleiner Junge in gelbem Shirt einem Motorradfahrer zu, wie dieser immer wieder einen Kreis in den braunen Erdboden fährt.
Eine andere Form von Grenzüberschreitung gelingt dem südafrikanischem Sänger und Künstler Umlilo in dem Video zu „Magic Man“. Während elektronisch-experimenteller Dub im Hintergrund wabert, tanzen Umlilo und seine Begleiter*innen stark kostümiert in einer Art Musik- und Lichtperformance. Dabei überwinden sie die binären Gender-Grenzen. „Magic Man repräsentiert die Metamorphose eines gepeinigten Außenseiters zu einem vollständig anerkanntem göttlichen Wesen,“ so Umlilo selbst. „Es ist eins meiner persönlichsten Lieder.“ (Einen Einblick in seine persönlichen Motivationsgründe zum Video gibt Umlilo auch in einem Interview mit Africa is A Country.)
Kuratiert wurde die Ausstellung von Amelie Klein, der Kuratorin des Vitra Design Museums. Dabei war ihr Okwui Enwezor behilflich, der Direktor des Haus der Kunst in Müchen und der 56. Biennale di Venezia 2015. „Making Africa“ liegt eine zweijährige Recherchephase in Metropolen wie Lagos, Dakar, Kapstadt, Kairo und Nairobi zu Grunde. Etwa 70 Designer*innen, Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Architekt*innen, Galerist*innen und Kurator*innen wurden in Interviews und Think Tanks konsultiert. Passend zur Ausstellung wurde eine 352-seitige Publikation herausgegeben, die einen umfassenden Überblick über das zeitgenössische Design des afrikanischen Kontinents geben möchte.