Lampedusa: Flüchtlingstragödie verschärft Streit um Flüchtlings- und Asylpolitik

Friday 08th, April 2011 / 22:09 Written by

 Lampedusa, die italienische Mittelmeerinsel, schafft es hauptsächlich aus zwei Gründen in die Medien. In Ferienkatalogen wird sie aufgrund der geografischen Zugehörigkeit zu Afrika und den daraus resultierenden klimatischen Urlaubsbedingungen als touristischer Leckerbissen angepriesen. Gleichzeitig ist sie wegen ihrer geografischen Lage, besonders in den letzten Tagen, nicht mehr aus dem Politikteil der Medien wegzudenken. Aufgrund der Nähe zu Nordafrika ist die Insel schon seit mehreren Jahren ein Zwischenstopp für afrikanische Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa. Lampedusa gilt daher auch als Vorposten der italienischen Behörden, illegale Einwanderer und Schmuggler auf ihrem Weg nach Europa abzufangen. Bereits im Jahr 2003 registrierten die italienischen Behörden 8.000, 2004 schon 13.000 und 2005 sogar schon über 20.000 illegale Einwanderer auf der Insel. Seit den Unruhen in Nordafrika, Anfang diesen Jahres, vor allem nach dem Sturz Zine el-Abidine Ben Alis in Tunesien, erreichten in kürzester Zeit wieder tausende Flüchtlinge Lampedusa auf dem Seeweg. Italien registrierte seit Anfang 2011 bereits 23.000 Flüchtlinge aus Nordafrika. Jetzt endete eine der Überfahrten – mal wieder – in einer menschlichen Tragödie. Ein Flüchtlingsschiff ist vor Lampedusa mit über 250 Migranten aus Somalia und Eritrea gekentert, der größte Teil der Menschen an Bord musste diesen Weg in eine scheinbar bessere Welt mit dem Leben bezahlen. Seinem Ruf als „Massengrab“, wie n-tv schreibt, macht das Mittelmeer dieser Tage also wieder alle Ehre. Das Unglücksschiff war in der libyschen Stadt Zuwarah in See gestochen, einer der Küstenorte im westlichen Libyen, in denen die Truppen Gaddafis die Bevölkerung terrorisiert. (Mehr zum Schiffsunglück auf welt online.)

Wie derwesten schreibt, scheint Gaddafi hier seine Drohung wahr zu machen, Flüchtlinge als Waffe zu benutzen und den Strom der Vertriebenen gezielt Richtung Europa zu lenken. Diese neue Migrationswelle stellt Europa vor neue Herausforderungen. Die EU kann die Menschen nicht einfach in die Heimat abschieben. Da sie vielmehr Schutz und Obdach brauchen und eventuell sogar Anrecht auf Asyl haben, muss die EU unbedingt den Streit um eine kontinentale Asyl- und Flüchtlingspolitik beenden. Besonders vor dem Hintergrund, dass durch die neuen, von Europa gefeierten Demokratien Nordafrikas, die Menschen nun ungehindert ausreisen können. Denn das wird den Menschenstrom nicht schmälern, sondern noch vergrößern. Das könnte auch eine humanitäre Katastrophe zur Folge haben.

 

UNHCR-überwachte Migrantenlager in Libyen
Flüchtlingslager des UNHCR in Libyen – www.stepmap.de

 

 

Die Verantwortung darf und kann nicht nur bei der italienischen Regierung liegen. Gerade da von den meisten Immigranten die wenigsten in Italien bleiben wollen. Wie spiegel online schreibt, sind die favorisierten Ziele Frankreich und Deutschland. Die Aufenthaltserlaubnis, die Italien aus „humanitären Gründen“ den 23.000 Menschen gegeben hat, die seit Anfang des Jahres kamen, impliziert ihnen das Recht, in andere Länder der EU-Schengen-Zone zu reisen und dort drei Monate zu bleiben. Die Länder selbst sehen das nicht so, wie auch die meisten EU-Rechtsexperten. Notwendig wäre eine von Brüssel zu erlassene entsprechende Verfügung. Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström wäre zwar dazu bereit, braucht aber die Zustimmung der Mehrheit der europäischen Innenminister. Und das könnte sich schwierig gestalten. Vielmehr sind die Länder damit beschäftigt die „nationalen Schotten dichtzumachen“. Beispielsweise haben die Franzosen in dieser Woche an der italienisch-französischen Grenze die mit dem Schengen-Vertrag abgeschafften Kontrollen wieder eingeführt. Auf diesem Weg können sie die dort ankommenden Menschen abfangen und zurückschicken. Dies ist hart am Rande des EU-Rechtsbruchs, wie spiegel online weiter schreibt. In Deutschland fordert die Bundestagsfraktionschefin der Grünen, Renate Kühnast, die Flüchtlinge gegebenenfalls aufzunehmen. „Es geht nicht, dass Deutschland dieses Problem in der EU einfach aussitzt und nicht aktiv wird“, sagte sie der Rheinischen Post (Freitagsausgabe).

Die Verantwortung liegt also bei Europa und es darf sich dieser nicht entziehen. Schließlich ist die Flüchtlingstragödie auch „Folge einer Selbstvergessenheit Europas“, wie n-tv schreibt. Denn anstatt sich verantwortungsvoll zu verhalten, handelt es gegen stabile Verhältnisse, vor allem in Afrika. Mit der EU-Subventionspolitik zerschmettert es die afrikanischen Märkte. Durch hohe Einfuhrzölle erschwert es den Export afrikanischer Waren und durch unfair gehandelte Produkte trägt es entscheidend zur Armut in Afrika bei. Und Armut ist, neben politischen Konflikten, die Hauptfluchtursache.

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