Nigerias Kampf gegen die illegale Fischerei

Sunday 05th, June 2011 / 18:02 Written by

 Die Nachrichten sind überschwemmt von Meldungen über gekaperte Schiffe, waghalsige Befreiungsaktionen oder die internationale Gemeinschaft in ihrem Versuch, der Piratenproblematik Herr zu werden.  Nicht nur Somalias Küste, die längste des afrikanischen Kontinents, macht dabei von sich reden. Auch die Gewässer im Golf von Guinea vor der nigerianischen Küste tauchen immer wieder in den Nachrichten auf. Meist werden dortige Piratenübergriffe mit dem boomenden Ölgeschäft in Nigeria in Verbindung gebracht, wobei unterschiedliche Gruppen ihren Unmut über das Verhalten der Regierung im Ölgeschäft zum Ausdruck zu bringen versuchen. Geringere Aufmerksamkeit wird wie im Falle Somalias auch den Übergriffen auf internationale Fangflotten beigemessen, wobei oftmals lokale Fischer versuchen, sich gegen die illegale Ausbeutung nigerianischer Hoheitsgewässer zur Wehr zu setzen.

Ein Mitarbeiter der Nigerian Trawler Owners Association (NITOA) beklagte 2010 gegenüber The Nation, Nigeria verliere jährlich ungefähr 60 Millionen US$ durch illegale Fischerei, während man Fisch und Meeresfrüchte im Wert von etwa 200 Millionen US$ importiere, um die lokale Produktion zu unterstützen. Fisch stellt wie in vielen anderen Ländern auch eine gute Protein- und Eiweißquelle dar. Versiegt solch eine Quelle nun dadurch, dass nationale Fischereiunternehmen der Zugang zu den eigenen Meeresressourcen verloren geht, so droht die nationale Fischerei im Golf von Guinea enorme Verluste zu verbuchen und schließlich gar zusammenzubrechen. Durch illegale Fischerei droht zudem ein wichtiger Sektor des nationalen Arbeitsmarktes einzubrechen. Über 20.000 Jugendlichen ist bereits die Aussicht auf Berufschancen verwehrt. Diese Entwicklungen können sich in Zukunft verschlimmern. Sollten sich die illegalen Aktivitäten internationaler Fangflotten nicht einstellen, droht tausenden qualifizierten wie nichtqualifizierten Arbeitskräften der Verlust ihres Jobs.  Letztlich bedeutet ein Ausbleiben des Fangerfolgs für viele altansässige Fischerfamilien den Ruin. Viele lokale Fischer werden von internationalen Fangflotten verdrängt. Der Fischfang rentiert sich in vielen Fällen nicht mehr, was sie zur Aufgabe zwingt. Viele Fischerdörfer sehen sich somit oftmals durch illegale Fischerei in verstärtktem Masse mit der eigenen Existenzsicherung konfrontiert.

Illegale Fischerei und Umweltzerstörung

Die systematische illegale Ausbeutung hat nicht nur verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt, sondern richtet zudem auch große Umweltschäden an. Ähnlich wie im Falle Somalias fischen internationale Flotten ohne jede Rücksicht auf Bestandsregulierungen oder die Umwelt. Durch oftmals international verbotene Fangmethoden wie etwa der sogenannten Schleppnetzfischerei werden Lebensformen und –bereiche nachhaltig zerstört. Begreift man den Lebensraum Ozean als ein komplexes Ökosystem, in dem viele Bereiche voneinander abhängen und nur miteinander existieren können, so wird schnell deutlich, dass es im Zuge einer systematischen Überfischung früher oder später zu einem Zusammenbruch des Ökosystems Ozean kommt. Mit dieser Problematik sieht man sich heute in vielen Meeresgebieten der Welt konfrontiert, wenngleich der Thematik weit mehr Beachtung geschenkt werden sollte. Illegale Ausbeutung von Meeresressourcen stellen dabei einen Faktor dar, der nicht kontrollierbar ist und gegen den umso intensiver vorgegangen werde muss, möchte man die weltweite Artenvielfalt erhalten.

Die Aktivitäten im Golf von Guinea fallen  in der Regel unter den Begriff der Illegal, unreported and unregulated fishery (IUU-fishery). Fangflotten aus Europa, Japan, Korea und China verladen ihre Fänge dabei noch auf Hoher See auf sogenannte Fabrikschiffe, auf denen der Fisch direkt weiterverarbeitet wird. Somit kann der verarbeitete Fisch schnellstmöglich auf die entsprechenden Absatzmärkte gelangen. In den Gewässern vor der nigerianischen Küste fehle es oftmals an den entsprechenden Kontrollen der Polizei und der nigerianischen Navy, die aktiv gegen solche illegalen Aktivitäten vorgehen könnten, so ein Mitarbeiter der NITOA.

Nigeria, das neue Somalia?

Könnte sich in den Gewässern vor Nigeria ein neues Somalia entwickeln? Sicher ist, dass die Gewässer im Golf von Guinea nicht eine derart geostrategische und für den internationalen Seehandel wichtige Rolle darstellen. Dennoch wird das in Nigeria geförderte Öl in den meisten Fällen per Schiff abtransportiert. Auch die gewalttätigen Übergriffe auf  Schiffe, sowohl internationaler Fischereiflotten als auch auf Öltransporter, nahmen in den letzten Jahren zu. Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass es in nigerianischen Gewässern etwa zu einer internationalen Marinemission wie vor Somalia kommt. Spätestens mit der Debatte über mögliche Resolutionen zur Ahndung und Verfolgung der Piraterie vor Somalia ist deutlich geworden, dass sich souveräne Staaten wie Nigeria weigern werden, internationale Legitimationen gegen sie ausgesprochen werden, wonach man der Piraterie in nigerianischen Gewässern den Kampf ansagen könnte. Doch wenn schon nicht gegen Piraterie vorgegangen wird, was soll dann erst aus der illegalen Fischerei werden? Es ist unwahrscheinlich, dass die internationale Staatengemeinschaft sich der illegalen Fischerei, nicht aber der Seeräuberei annehmen wird. Daher ist in diesem Feld die nigerianische Regierung gefragt. Im Gegensatz zu Somalia existiert in Nigeria eine funktionierende Regierung, die durch Wahlen legitimiert ist. Es müssten also die Strukturen zur Verfolgung illegaler Fischerei gegeben sein.  Ende 2010 forcierte die nigerianische Regierung ihren Kampf, indem sie sich mit dem Fishery Committee for the West Central Gulf of Guinea (FCWC; Mitgliedsstaaten: Liberia, Elfenbeinküste, Ghana, Togo, Benin, und Nigeria) zusammensetzte, um einen neuen Aktionsplan auszuarbeiten. Najeem Awodele, Minister of State for Agriculture and Rural Development, sagte, man müsse sich bei solchen Bemühungen auf verschieden Aspekte konzentrieren. Dabei führte er unter anderem das ineffektive Monitoring, Control and Surveillance System (MCS), IUU-Fishery, fehlende Fangmeldungen, schlechtes Management und überholte Technologieanforderungen an. Schlussendlich bleibt abzuwarten, was der ausgearbeitete 10-Jahres-Strategieplan des Komitees in der Umsetzung bewirken und verändern kann.

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