Die etwas andere Energiewende

Sunday 22nd, May 2011 / 15:36 Written by

 In Duynefontein an der südafrikanischen Kapküste steht das einzige Atomkraftwerk des afrikanischen Kontinents. Unweit der Metropole Kapstadt, liefert die staatliche Betreiberfirma Eskom von hier aus seit 1984 Elektrizität. Schätzungsweise sechs Prozent des südafrikanischen Strombedarfs werden heute mit Energie aus dem AKW Koeberg gedeckt, insbesondere der Bedarf in der boomenden Kapregion wächst stetig. Trotz der jüngsten atomaren Katastrophe in Fukushima hält die Regierung offenbar an einer atomaren Zukunft fest. Auch das Nachbarland Namibia forciert ähnliche Schritte. Die Region ist reich an Uran und geplagt von anderen Sorgen. Proteste sind daher verhalten, in der alten Debatte werden bekannte Risiken weiterhin verharmlost.

Die beiden Druckwasserreaktoren des AKW Koeberg bei Kapstadt liefern 6 Prozent des südafrikanischen Stroms

Die beiden Druckwasserreaktoren des AKW Koeberg bei Kapstadt liefern sechs Prozent des südafrikanischen Stroms. Foto: Philipp P. Egli

Stromausfälle sind in Südafrika an der Tagesordnung. Gerade zu Stoßzeiten werden ganze Stadtteile, meist die Townships, vom Stromnetz getrennt, um die Versorgung von Industrie und den Vierteln der Reichen zu gewährleisten. Zuletzt baute Südafrika die Netze anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2010 unter tatkräftiger Unterstützung ausländischer Unternehmen massiv aus. Unvorstellbar die nationale Blamage, wenn Licht und Bildverbindung bei einem der Spiele vor Millionen von Zuschauern ausfallen sollten. Ökologische Überlegungen wurden bei dieser Modernisierung indes zu keinem Zeitpunkt einbezogen. Statt die einzigartige Möglichkeit zu nutzen, den Anteil erneuerbarer Energien von mageren 0,1 Prozent zu erhöhen, beharrte man auf altbewährten Lösungen. Verfälscht werden die Zahlen zusätzlich, wenn man den gigantischen Kohlekraftwerken des Landes die Nutzung von Biomasse bescheinigt. Die Steinkohle Südafrikas ist nicht nur auf dem internationalen Markt gefragt sondern dominiert mit über 90 Prozent auch die Zusammensetzung des südafrikanischen Energiemixes. Der leicht zugängliche Rohstoff wird vor allem in den Reviergürteln um Johannesburg und Pretoria abgebaut. Das Brennmaterial liegt hier besonders dicht unter der Erdoberfläche und erlaubt ein einfaches Abtragen.

Doch auch Uran lagert in großen Vorkommen unter der südafrikanischen Erde. Und der Energiebedarf der aufstrebenden Industrienation ist ungesättigt. Vor allem die Metallindustrie, aber ebenso die privaten Haushalte, erfordern einen Ausbau des Stromnetzes. Geht es nach dem Willen der Regierung, liegt offenbar nichts näher, als die reichen Uranvorkommen auch verstärkt für den heimischen Bedarf zu nutzen.

Risiken für die Umwelt treffen auf taube Ohren

Die gravierenden Umweltschäden durch den Abbau von Uran sind bekannt. Doch in der aufstrebenden Wirtschaftsmacht finden solche Bedenken kein Gehör. Bürgerlicher Widerstand bleibt auf das Engagement von Umweltschutzverbänden, NGOs, ausländischer Stiftungen und weniger Privatpersonen beschränkt. Südafrika plagen andere Dringlichkeiten auf der Agenda Richtung Zukunft – die bleibende Armut lässt offenbar wenig Raum für ökologische Bedenken. Bekräftigt wird die öffentliche Passivität mit den altbekannten Verlautbarungen der Atomindustrie. Die tektonischen Gegebenheiten machen schwere Erdbeben in der Region in der Tat äußerst unwahrscheinlich. Dennoch ist der engstirnige Umgang mit der Risikotoleranz im Zusammenhang mit einer veralteten Technologie verblüffend. Wie wenig gesichert das AKW Koeberg allein in seinen Außenanlagen ist, machte eine Aktion von Greenpeace im Jahr 2002 deutlich, als Aktivisten problemlos das Kraftwerksgelände betreten und Protestbanner anbringen konnten. Wie für alle Atomstaaten, stellt sich zudem auch in Südafrika die Frage nach der Lagerung des atomaren Abfalls. Während die Diskussion um die Zukunft der Kernenergie angesichts der Ereignisse in Japan weltweit neuen Aufschwung erlebt, sieht Eskom-Geschäftführer Brian Dames in Südafrika hingegen „eine Kultur der Sicherheit im Umgang mit Kernenergie“. Technologische Innovationen sollen das Exportgeschäft mit Atommeilern made in South Africa ankurbeln. Allein, die Pläne für ein zweites AKW auf südafrikanischen Boden liegen bereits seit knapp 10 Jahren in den Schubladen der Betreiber, ruhen dort bislang jedoch weitgehend unangetastet.

Ökologische Energiewende als Luxusproblem

Im Nachbarland Namibia ist man da schon einen Schritt weiter. Auch Namibia setzt zukünfitg auf die Nutzung der Atomenergie. Was wäre naheliegender, schließlich ist Namibia der weltweit führende Exporteur von Uran. Auch Namibia plant den dringend benötigten Ausbau seines Energiesektors, ist man bisher doch vor allem auf günstige Stromimporte aus Südafrika angewiesen – die Strompreise in Südafrika gelten als die niedrigsten weltweit. Und auch in Namibia wird die öffentliche Debatte angesichts gravierender Probleme des Sozialstaats lediglich von einem kleinen Kreis privilegierter Bürger geführt. Meist sind es die Weißen, in deren gehobenen Kreisen, die berufliche Stellung und finanzielle Sicherheit mit sich bringen, überhaupt eine Diskussion angestrengt wird. Ökologische Energiewende als Luxusproblem. Ein Umdenken ist indes nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Wirtschaftlichen Aufschwung, Arbeitsplätze und höhere Energiesicherheit versprechen sich die Befürworter des namibischen Atomprogramms. Dass einige der neuen Uranminen direkt im Etosha Nationalpark liegen, stört kaum jemanden. Ferner frohlockt man bereits mit einer eigenen Anlage zur Anreicherung von Uran. Mitte dieses Jahres schließlich soll die zukunftsweisende Energiepolitik Namibias präsentiert werden. Bis dahin wird mit Hilfe finnischer Investoren an der konkreten Einbeziehung der Atomenergie gefeilt. Dabei setzt man langfristig offenbar auf ein dezentralisiertes Netz zur Energiegewinnung mit kleinen Atommeilern. Lokal sollen enge Verknüpfungen der vorhandenen Minenindustrie mit den entstehenden Kraftwerken geschaffen werden. Der lokalen Bevölkerung verkündet man bereits die glorreichen Perspektiven einer atomaren Zukunft. Allein in der Region Erongo sollen tausende Arbeitsplätze entstehen.


Militärische Nutzung und das Potentiel der erneuerbaren Energien

Neben dem eigenen Atomprogramm soll zudem der Export von Uran weiter angekurbelt werden. Namibia hat die internationalen Verträge zum Abbau atomarer Waffen unterzeichnet. Doch der Verkauf des Urans aus den zwei Minen des Landes geht bereits jetzt andernorts mit der Produktion waffenfähigen Materials einher.
Der Apartheitsstaat Südafrika rief seinerzeit das ambitionierteste Atomwaffenprogramm des Kontinents aus. Im Zuge der nationalen Neupositionierung und dem von den USA unterstützten Versuch zur weltweiten Abrüstung nach dem Ende des Kalten Kriegs gab man die militärische Nutzung der Kernenergie schließlich auf. Eine Debatte über die zivile Nutzung der Atomkraft bleibt in Südafrika dagegen weitgehend aus. Stattdessen empfiehlt die 1995 eingerichtete Energiekommission SAAP (Southern African Power Pool) engere Zusammenarbeit der Staaten im südlichen Afrika zur gezielten Diversifizierung der Zusammensetzung der Energieversorgung – versehen mit dem direktem Hinweis, die Atomenergie auszubauen.

Dabei wird das ungenutzte Potential der erneuerbaren Energien gänzlich außer Acht gelassen. Vor allem in Südafrika mit seiner langen Küstenlinie und günstigen Windverhältnissen bieten sich Windkraftparks an. Hinzu kommt das ungenutzte Potential der hohen Sonneneinstrahlung. Nicht zuletzt erlauben die weiten, dünn besiedelten Gebiete der gesamten Region einen großflächigen Ausbau regenerativer Energieparks. Voraussetzung für eine effektive Nutzung ist jedoch der politische Wille zur Energiewende: Investoren müssen gefunden und in einen transparenten Energiemarkt integriert werden. Weder das bisherige Model des staatlichen Monopols auf die Atomindustrie noch strikt gewinnorientierte Oligopole der Energiekonzerne können auf lange Sicht zufriedenstellende Lösungen für die fragile Energieversorgung der Region sein. Ein faires und gesamtgesellschaftlich tragbares Verteilungssystem der anfallenden Kosten muss entwickelt und ökologische Überlegungen eingezogen werden.

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Marius Münstermann is based in Berlin where he works as a freelance journalist. Marius serves as editor-in-chief at eufrika.org.

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