Niameys Taxifahrer legen Verkehr lahm

Tuesday 23rd, October 2012 / 18:56 Written by

 Selbst auf dem K’asuwa bissa, dem größten Markt und bedeutendsten Verkehrsknotenpunkt der Innenstadt Niameys, herrschte in den letzten Tagen außerordentliche Ruhe. Die Hauptverkehrsachsen, die hier in der Hauptstadt des Nigers zusammentreffen, sind für gewöhnlich ein turbulenter Umschlagplatz von Menschen und Waren. Dieser Tage werden die Straßen hauptsächlich von Fahrradfahrer_innen, Fußgänger_innen und einigen PKWs genutzt. Es fehlen die Minibusse (Faba-Faba) und die vielen Taxis, die die maßgeblichen Fortbewegungsmittel der Hauptstadt darstellen. Neben wenigen staatlich getragenen Buslinien ermöglichen die Faba-Faba einen Transport entlang der mehrspurigen Straßen. Stets unter Zeitdruck verbinden die Kleinbusse bis zu 15 Sunden täglich die Randbezirke mit dem Stadtzenrum. Während ihre Preise feststehen, variieren diese je nach Distanz und Örtlichkeit in den Taxis. Allgemein übersteigen sie jedoch selten eine Summe von 400 FCFA (0,60 €), die angesichts der steigenden Benzinkosten nicht mehr ausreichend ist; ein Umstand, der den Streik aller Verbände der Taxifahrer* Niameys der vergangenen Tage begründet.

Die Taxipreise garantierten angesichts der erhöhten Benzinpreise bald nicht einmal eine Wertschätzung der Arbeit und schon lange kein angemessenes Einkommen mehr, meint Moustapha Traoré, Mitglied des „Premier Syndicat des Taximans de Niamey“, in welchem sich die Taxifahrer* organisieren, um ihre prekären Arbeitsverhältnisse anzuprangern. Ihre Forderungen gehen jedoch über ein partikulares ökonomisches Interesse hinaus. Sie drücken das Besorgnis um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer_innen sowie um die Aufrechterhaltung einer infastrukturellen Ordnung in der Hauptstadt aus. Über ihr Engagement in den Syndikaten sowie ihrem Einsatz als Taxifahrer*, die den gesamten Nahverkehr Niameys tragen, erweisen sie sich als aktive Bürger_innen, die eine angemessene Gegenleistung von staatlicher Seite einfordern.
Traoré sieht Wahlversprechen gebrochen und fühlt sich einer unfairen Preispolitik ausgeliefert und verweist auf den Umstand,

wie eindeutig die gesamte Infastrukur der Stadt Niamey letztlich von uns abhängt.”

In einigen Bezirken bildeten sich kurzerhand Mitfahrgelegenheiten. Die meisten Bewohner_innen Niameys bleiben jedoch schlichtweg Zuhause und kapitulieren vor der Aussichtslosigkeit eines gelingenden Transports ohne Taxis.

 

Viele Demonstrierende und Unzufriedene werfen President Issoufou vor, sein Versprechen, die Bevölkerung an den Einnahmen aus der verstärkten Ressourcenförderung im Norden Nigers teilhaben zu lassen. © Rama

Viele Demonstrierende und Unzufriedene werfen President Issoufou vor, sein Versprechen, die Bevölkerung an den Einnahmen aus der verstärkten Ressourcenförderung im Norden Nigers teilhaben zu lassen. © Rama

Die gegenseitigen Abhängigkeiten und die politische Sprengkraft des Streiks sind auf staatlicher Seite durchaus bekannt, sodass unmittelbar nach der Ankündigung des Streiks eine Pressekonferenz abgehalten wurde. Die Syndikate drohen ein Sprachrohr für viele der Politisierten zu werden, deren Groll gegenüber einer Politik steigt, die sich als unfähig erweist, eine gesamtgesellschaftliche Beteiligung an der steigenden Ressourcenförderung im Norden des Landes zu garantieren. Dass die Benzinpreise seit dem Beginn der landesinternen Ölförderung nicht gesunken, sondern noch gestiegen sind, trifft auf Unverständnis, wobei Präsident Mahamadou Issoufou in den Mittelpunkt aller Schuldzuweisungen rückt.
Issoufu hatte zunächst erklärt, dass die steigenden Einnahmen langfristige Investitionen im öffentlichen Sektor finanzieren sollten, deren Effekte erst nach einigen Jahren offensichtlich würden.

Innenminister Abdou Labo übrgeht unter dem symbolischen Verweis auf die zahlreichen Oilibya-Tankstellen die nationale Ölförderung und betont stattdessen die Bedeutsamkeit der umfassenden Krise in Lybien, welche unmittelbare Auswirkungen auf den bilateralen Ölhandel habe. Hemmend komme die Rebellion im Norden Malis und damit verbundene angespannte Sicherheitslage in der gesamten zone sahelo-saharienne hinzu: Die versprochenen Preissenkungen sind vertagt – Datum unbekannt.

Diese Einbettung in einen brisanten internationalen Kontext scheint weniger eine vollständige Erklärung als mehr eine rhetorische Finte zu sein, denn vielmehr bleibt dem Kabinett nicht zu sagen, wenn es keine noch größere Entrüstung in der Bevölkerung provozieren möchte. Nicht nur erweisen sich angesichts der aktuellen Priorisierung der sogenannten Sicherheits- und Friedenspolitik staatliche Subventionen des Benzins als utopisch. Es scheint ein ernstzunehmender Trugschluss zu sein, dass seit der Ölförderung vor rund einem Jahr mehr zusätzlich verfügbares Öl sowie daran gekoppelte Gewinne für die 7. Republik (Niger) entsprungen wären.
Es sollte ein Zeichen gegen koloniale Kontinuitäten sein, als die politische Führungsriege Niameys nach dem öffentlichen Bekanntwerden bedeutender lokaler Ölvorkommen Frankreich 2009 die Förderungslizenz entsagte und die bestimmende Position in den anstehenden Lizenzverhandlungen einnehmen wollte. Im gleichen Zeitraum wurden neben dem damaligen französischen Botschafter auch einige private französischen Unternehmen, deren prominentester Vertreter (Arewa) bis heute das Monopol der Uranium-Förderung hält, des Landes verwiesen.
Schließlich wurden die französischen jedoch durch andere private Investor_innen aus dem Ausland ersetzt, weswegen die junge Privatisierungswelle an dieser Stelle eher eine diplomatischen Krise zwischen dem Niger und Frankreich ausdrückt als eine Beendigung evidenter Abhängigkeiten und eines großen Devisenabflusses.

Im palais des congrès tritt das bekannte und plausible Argument der Reinvestierung der Gewinne vor allem in den Bildungs- und Gesundheitssektoren in den Hintergrund – womöglich ist es längst hinfällig: Das öffentliche Eingeständnis, dass der Bärenanteil des geförderen Öls sowie des damit verbundenen Profits nach wie vor in private ausländische Brieftaschen fließt und die Möglichkeiten der Preisregulation limitierter sein könnten als hinlänglich bekannt, wird vermieden. Eine solche, so legen die selbständige langristige Organisation des Streiks sowie dessen breite Akzeptanz schließlich nah, würde zwangsläufig zu einer weiteren Politisierung und einer Verschärfung des gesellschaftlichen Aktionismus führen.

Nachtrag 17.10.: Der Streik wurde zwei Wochen lang fortgesetzt und hat sich auf weitere Städte ausgebreitet. Die Reaktion der Taxifahrer* auf die vorläufige Aussichtslosigkeit staatlicher Intervention ist deutlich: Die Taxipreise werden um 50% steigen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Transportkosten die Stimmungslage der städtischen Bevölkerung wesentlich beeinflussen, bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahme zu einer Spaltung zwischen den Transportunternehmer_innen und ihren Fahrgästen oder zu deren politischer Einigung gegen das aktuelle Kabinett führt.

 

* Die männliche Form wird hier und im Folgenden verwendet aufgrund der direkten Übersetzung aus dem Französischen: „Syndicats des Taximans de Niamey“.

Diesen Artikel empfehlen bei:
  • Facebook
  • Twitter
  • MisterWong
  • Google Bookmarks
  • del.icio.us

eufrika on Facebook