Steigende Preise und akuter Hunger

Thursday 23rd, December 2010 / 02:41 Written by

 Die Bilanz der Nahrungsmittelsituation fällt zum Jahresende deutlich negativ aus. Die Weltmarktpreise für Getreide, aber auch andere Grundlebensmittel, sind 2010 weiter gestiegen. Gleichzeitig machte im Juni erstmals die allarmierende Zahl von knapp einer Milliarde Hungerleidenden weltweit die Runde, das entspricht jedem siebten Bewohner des Planeten. Angesichts dieser Besorgnis erregenden Entwicklungen ist beim Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen von einem „stillen Tsunami“ die Rede, der eine Bedrohung für die gesamte Welt darstelle.

Insbesondere die Preisentwicklungen im vergangenen halben Jahr deuten auf ein akutes Problem bezüglich der globalen Versorgung mit Nahrungsmitteln hin. Besonders drastisch fiel die Entwicklung für Weizen aus, weltweit einem der wichtigsten Rohstoffe zur Nahrungsmittelerzeugung überhaupt. Im Zeitraum von Mai bis Dezember 2010 lässt sich ein Preisanstieg um fast ein Viertel verzeichnen. Ähnliches lässt sich auch bei Mais und anderen Getreidesorten beobachten. Der Bedarf aufstrebender Länder wie Indien und China mit ihren hohen Bevölkerungszahlen führt zu einer zunehmenden Knappheit von Nahrungsmitteln. Auch die weltweite Finanzkrise hatte nachwievor Auswirkungen auf die Preisentwicklung besonders begehrter Rohstoffe. Die angezogenen Preise stehen außerdem in direktem Bezug zur Entwicklung anderer international gefragter Rohstoffe. So orientiert sich der Preis für Lebensmittel stark an dem des Rohöls, da sowohl Landwirtschaft als auch Transport direkt von Treibstoffen abhängig sind.                                                                                                                                                                                                                                                                      Zusätzlich hätten Spekulationen an den internationalen Börsen die Preise künstlich in die Höhe getrieben. Dabei setzen Banken wie private Anleger bewusst auf den Anstieg bestimmter Güter, was deren Preis auch real ansteigen lässt. Experten fordern deshalb strengere Regulationsmechanismen und größere Notfallreserven, um Engpässe – beispielsweise in Folge von Ernteausfällen – besser abfedern zu können. Ferner seien die Märkte zu anfällig für die Profitgier einzelner Großinvestoren. Die zahlungskräftigen Aktionäre hätten gegenwärtig leichtes Spiel, die Weltmarktpreise bei entsprechend großen Einkäufen bestimmter Produkte nach Belieben zu diktieren.

Doch auch Naturkatastrophen, auf die sich die Lebensmittelerzeuger im Zuge des Klimawandels in Zukunft verstärkt einstellen müssen, haben bereits 2010 ihren Teil zur derzeitigen Situation beigetragen. So gingen bei den Bränden in Russland, aber auch durch die Fluten in Pakistan oder die Dürreperiode im Niger und andernorts, große Teile der Ernte verloren. Wissenschaftlichen Prognosen zu Folge, seien durch die rapide sinkenden Ernteerträge von bis zu 40 Prozent auf Grund des Klimawandels zukünftig fast die Häfte der Weltbevölkerung von Hunger bedroht.                                                                                                                                                                                       Zudem wird immer mehr Anbaufläche für lukrativere Agrarprodukte wie Kakao, Palmöl für den hochgelobten Biotreibstoff oder Soja zur Rinderfütterung bewirtschaftet, statt die Landfläche für den Getreideanbau zu nutzen. Während die genannten Erzeugnisse 2010 ebenfalls neue Höchstpreise erzielten, verstärkt ihre aufkommende Konkurrenz die Knappheit der verdrängten Grundlagen zur Herstellung vieler Lebensmittel.

Die meisten Verbraucher und Bauern in Europa spüren die Auswirkungen der Preiserhöhungen dank Agrarsubventionen, der daraus resultierenden Überproduktion und der technologisch weitesgehend garantierten Versorgungssicherheit nur mäßig. Ein aktuelles Beispiel für die fatalen Folgen derPreisspirale in Kombination mit Ernteausfällen liefert jedoch der Südsudan. Dort seien laut www.a24.com in den kommenden Monaten voraussichtlich über vier Millionen Menschen von akutem Hunger bedroht, insbesondere wenn sich die Situation zur Versorgung der Bevölkerung mit Hilfslieferungen bis zum Einsetzen der Regenzeit Anfang nächsten Jahres nicht verbessere. Dies bedeute eine Vervierfachung der Zahl der Hungernden binnen einen Jahres, was besonders dann kritisch werde, wenn die sturzbachartigen Regenfälle den Zugang zur Region extrem erschweren.

Einen Überblick über die unter anderem durch Spekulationen an den Börsen bedingte Hungerproblematik gibt es in der ZDF online Mediathek.

Diesen Artikel empfehlen bei:
  • Facebook
  • Twitter
  • MisterWong
  • Google Bookmarks
  • del.icio.us

About the author

Marius Münstermann is based in Berlin where he works as a freelance journalist. Marius serves as editor-in-chief at eufrika.org.

View all articles by Marius Münstermann

eufrika on Facebook