Sudan: Gewalt eskaliert – Menschenrechtslage verschlimmert sich
Aufgrund der anstehenden Unabhängigkeit des Südsudans ist ein erbitterter Kampf um die Ölquellen in den zukünftigen Grenzregionen entfacht. 40.000 Menschen aus der umkämpften Region Kordofan sind auf der Flucht vor den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen des Nordens und der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) des Südens. 300.000 Menschen befinden sich derzeit mitten im Gebiet des gewaltsamen Konflikts. Laut der in El Obeid (Region Kordofan) ansässigen Bonner Hilfsorganisationen Don Bosco JUGEND DRITTE WELT verbarrikadierten die Menschen sich in ihren Häusern ohne ausreichendes Wasser und Nahrung, aus Angst vor Hausdurchsuchungen, die Angehörige der Regierungstruppen durchführten, um vermeidliche Rebellenanhänger zu töten.
Im Januar fand im Südsudan ein Referendum statt, in dem sich die Bevölkerung mit großer Mehrheit für die Unabhängigkeit des Südens entschied. Der Beschluss tritt am 9. Juli 2011 in Kraft. Mit der geplanten Teilung des Landes entfachte ein Streit um die ölreichen Regionen des Landes. Bereits im Mai kam es zu ersten gewaltsamen Übergriffen der Südsudanesen. Der Norden nahm daraufhin die Stadt Abyei ein. Die Konflikte zwischen der Regierung im Norden und politischen Kräften im Süden dauern bis heute an.
Laut Entwicklungspolitik online hat sich die Menschenrechtslage im Norden des Sudan jetzt erneut stark verschlechtert und auch die Pressefreiheit wird zunehmend eingeschränkt. Am Sonntag wurden 15 Friedensaktivisten in Khartum verhaftet, die gegen den eskalierenden Krieg in den Nuba-Bergen (Süd-Kordofan) protestiert hatten.
Außerdem leiteten die Behörden nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in den vergangenen Wochen gegen mindestens zehn sudanesische Journalisten Ermittlungsverfahren ein, weil diese über Menschenrechtsverletzungen informiert hatten, unter anderem über die Vergewaltigung der Frauenrechtlerin Safia Ishag im Gewahrsam sudanesischer Sicherheitskräfte im Februar 2011. Ein Team des Nachrichtensenders Al Jazeera sei trotz Militärbegleitung in Süd-Kordofan von Soldaten geschlagen worden und an einer unabhängigen Berichterstattung über die eskalierende Gewalt gehindert worden.
„Das Bashir-Regime nutzt die Gunst der Stunde: Während die Welt auf den Südsudan schaut, wo im Juli ein neuer Staat entstehen wird, ist im Norden jedes Mittel recht, um den Machterhalt Khartums zu sichern“, sagte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. Tätliche Gewalt gegen Journalisten wie im Fall des Al-Jazeera-Teams „soll unabhängige Medienvertreter abschrecken, die Nuba-Berge zu besuchen”, sagte Delius. “Das sind die gleichen Methoden wie in Darfur, als dort der Völkermord verübt wurde.” Berichte von Augenzeugen der Kämpfe in Süd-Kordofan seien äußerst alarmierend. Sie werfen der regulären Armee ethnische Säuberungen in den Nuba-Bergen vor. Auch die UN befürchten “ethnische Säuberungen” in der umstrittenen Provinz Abyei. Möglicherweise verfolgt die Regierung in Khartoum damit einen Plan zur dauerhaften Besetzung der ölreichen Region, heißt es in einem geheimen UN-Bericht, der der Nachrichtenagentur dapd vorliegt, berichete die Süddeutsche Zeitung. Lokale Menschenrechtsgruppen beschuldigten sudanesische Soldaten außerdem, sie hätten gezielt junge Männer erschossen. Die Opfer wurden verdächtigt, die südsudanesische Freiheitsbewegung SPLA zu unterstützen.
Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnt vor einer humanitären Katastrophe, da Zivilisten immer wieder Opfer von Anschlägen bewaffneter Gruppen aus dem Nord- sowie Südsudan werden. Seit Beginn der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Armee des Nordsudans (SAF) und der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) des Südsudan am 5. Juni diesen Jahres sind Zehntausende von Menschen geflohen.
Amnesty International liegen Augenzeugenberichte vor, nach denen Angehörige der SAF in den Städten Kadugli und Dilling willkürlich Personen, die sie der Unterstützung der SPLA verdächtigten, verhaftet und getötet hätten: “[Soldaten] kamen von überall auf die Hauptstraße und fragten jeden ‚Bist du von der SPLA?’. Sie durchsuchten unsere Sachen nach Dokumenten, die uns mit der SPLA in Verbindung bringen könnten. [Wenn sie Dokumente finden], werden sie uns mitnehmen”, sagte ein Bewohner Kaduglis.
Insbesondere Luftbombardierungen und Artilleriefeuer durch die SAF treffen willkürlich Zivilpersonen. Bislang sind Luftangriffe auf fünf Dörfern und der Kadugli, der Hauptstadt der Provinz Südkordofan, bekannt. Die Möglichkeit von Hilfsorganisationen, die Bevölkerung zu versorgen, ist stark eingeschränkt. Ein Großteil der Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen wurde bereits evakuiert. Die Bevölkerung leidet unter akutem Mangel an Wasser, Nahrung und medizinischer Versorgung.
Interview mit Prof. Buthaina El Naiem zur bevorstehenden Teilung des Sudans