Sudan und Kenia nach diplomatischen Scharmützeln auf Distanz

Tuesday 29th, November 2011 / 18:24 Written by

 

Der sudanesische Präsident Omar al-Bashir ist trotz internationalen Haftbefehls in manchen Ländern immer noch ein gerngesehener Staatsgast - Copyright: openDemocracy

Der sudanesische Präsident Omar al-Bashir ist trotz internationalen Haftbefehls in manchen Ländern immer noch ein gerngesehener Gast - Copyright: openDemocracy

Die Regierung des Sudan hat die Ausweisung des kenianischen Botschafters in Khartum erwirkt. Vorausgegangen war ein Gerichtsentscheid in Nairobi, der den internationalen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten al-Bashir bestätigte. Al-Bashir, gegen den seit 2009 seitens des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ermittelt wird, hatte unbehelligt nach Kenia einreisen können.

 

Al-Obaid Marawih, Sprecher des sudanesischen Außenministeriums, bestätigte:

The Sudanese government has ordered the Kenyan ambassador to leave the country within 72 hours.”

Damit reagierte die Führung in Khartum auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofs in Nairobi vom Montag. Das Urteil bestätigte den Haftbefehl aus Den Haag, nach dem der sudanesische Präsident für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in der Region Darfur verantwortlich sein soll. Al-Bashir ist damit das erste amtierende Staatsoberhaupt, gegen das ein internationales Strafverfahren angestrengt wurde. Bei einem Staatsbesuch im August letzten Jahres hatte al-Bashir dennoch unbehelligt nach Kenia einreisen und das Land ohne juristische Belange wieder in Richtung Sudan verlassen können. Ebenso verweilte al-Bashir für wenige Tage im Nachbarland Tschad und unlängst auch in Malawi.

Entsprechend der offiziellen Haltung in Khartum, die die Autorität des Den Haager Gerichtshofs nicht anerkennt und al-Bashirs Unschuld in allen Anklagepunkten beteuert, zeigte sich die sudanesische Vertretung in Nairobi „entsetzt“ über die richterliche Entscheidung. Das Urteil bescheiningt den kenianischen Behörden fahrlässig gehandelt und ihre gegenüber Den Haag vertraglich zugesicherte Unterstützung im angestrengten Verfahren gegen al-Bashir missachtet zu haben. Mit der Ratifizierung des im März 2005 unterschriebenen Römischen Statuts des Internationalen Gerichtshofs sei die kenianische Regierung den Beschlüssen aus Den Haag verpflichtet, argumentierte Richter Nicolas Ombija und gab damit der Klage der kenianischen Abteilung des IStGHs aus dem Dezember 2010 Recht.

Doch nicht nur die sudanesische Regierung reagierte verärgert auf das Urteil. Kenias Außenminister Moses Wetangula bezeichnete die Entscheidung des Gerichts als „Fehlurteil“.

Die Nachricht aus Khartum, den kenianischen Botschafter des Landes zu verweisen, rief dagegen in Nairobi den Entschluss hervor, ähnliche Schritte einzuleiten und dem sudanesischen Gesandten ebenfalls seinen Diplomatenstatus zu entziehen.

Unterdessen versuchte sich der Sprecher des sudanesischen Außenministeriums trotz der angespannten Situation in abwartender Gelassenheit:

The bilateral ties are deeply-rooted and are governed by the charter of the African Union. We are waiting for the outcome of the contacts between Khartoum and Nairobi.“

Seit der Abspaltung des Südsudan im Juli diesen Jahres hat sich die sudanesische Führung um al-Bashir international zunehmend isoliert. Zudem droht eine mögliche Öl-Pipeline aus dem Südsudan an die kenianische Küste der Regierung in Khartum die lukrativen Transitgebühren aus der bisherigen Transportroute ans Rote Meer abzuschöpfen.

Welchen Einfluss die jüngsten diplomatischen Verwerfungen zwischen beiden Ländern tatsächlich haben werden, könnte sich bereits am Mittwoch zeigen. Dann nämlich will die Ostafrikanische Gemeinschaft (East African Community) bei einem Zusammentreffen in Burundi über den Aufnahmeantrag Sudans entscheiden. Die Vertreter der Mitgliedsstaaten Uganda und Tansania äußerten sich bereits ablehnend. Präsident al-Bashir jedenfalls wird zu dem Treffen nicht erwartet.

 

Reaktionen der nationalen Presse :

The Standard (Kenia): „Kenya-Sudan diplomatic relations sour as envoy expelled“

Sudan Tribune (Paris)*: „Kenya/Sudan relations veering towards a breakdown after court decision on Bashir’s arrest“

* Die Pressefreiheit im Sudan ist stark eingeschränkt. Die staatliche Zensur macht eine unabhängige Berichterstattung im Land nahezu unmöglich. Die sudanesische Exilgemeinschaft unterhält eine Vielzahl (tendenziell regierungskritischer, im Selbstverständnis „pluralistischer, demokratischer“) Nachrichtenseiten als Gegenpol zur staatlich gelenkten Presse in der Heimat.

Mehr zu diesem Thema:

eufrika.org zum jüngsten Besuch al-Bashirs in Malawi: „Diplomatic disaster or daily life in politics? Omar al-Bashir in Malawi and nothing happens“

Anklageschrift des IStGH gegen al-Bashir von 2009: Situation in Darfur (Sudan) – In the Case of the prosecutor Omar Hassan Ahmad Al Bashir („Omar al Bashir“)

 

 

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Marius Münstermann is based in Berlin where he works as a freelance journalist. Marius serves as editor-in-chief at eufrika.org.

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