Tansania: Zwangumsiedlungen für das königliche Jagdvergnügen
In Tansania verschärft sich der Konflikt um die Landnutzung. Besonders in der Kritik steht ein geplantes Jagdreservat, dem Tausende weichen müssten.
In Tansania verschärft sich der Konflikt um Landnutzungsrechte zwischen der Bevölkerung und internationalen Investoren. Eine Rolle spielt immer häufiger auch die Tourismusindustrie, die sich zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige des ostafrikanischen Landes entwickelt hat. Im Nordwesten Tansanias soll nun ein privates Jagdrevier entstehen, dem schätzungsweise 48.000 Menschen weichen müssten.
Die Otterlo Business Corporation (OBC), eine Holding mit engen Verbindungen zu wohlhabenden Monarchen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, plant demnach im Distrikt Loliondo den Erwerb von 1.500 Quadratkilometern Land – das entspricht etwa der doppelten Fläche Berlins. Dabei handelt es sich um Siedlungs- und Weideräume der lokalen Bevölkerungsgruppe der Maasai.
Bereits 1992 erteilte Tansanias Ministry for Natural Resources and Tourism der OBC eine kommerzielle Jagdlizenz für die Region. Während sich der damalige Präsident Ali Hassan Mwinyi bester Kontakte zur Königsfamilie in Dubai rühmte, wurde die Entscheidung über die Köpfe der lokalen Bevölkerung hinweg getroffen. Wie sich später herausstellte, waren dabei großzügige Bestechungsgelder geflossen.
In der Presse sorgte der Fall bald unter dem Namen Loliondogate für Aufsehen. Zwei Journalisten, die unabhängig voneinander mit Betroffenen über die Machenschaften der OBC gesprochen hatten, kamen unter nach wie vor ungeklärten Umständen zu Tode. Auch ein Parlamentsabgeordneter, der sich um Aufklärung bemühte, entkam nur knapp einem Anschlag auf offener Straße. 1996 bezeichnete eine von der neuen Regierung eingesetzte Kommission zur Korruptionsbekämpfung die OBC als eines der korruptesten Unternehmen des Landes.
Die exklusive Jagdgesellschaft blieb dennoch. Wenngleich die OBC Kliniken, Schulen und Brunnen bauen ließ, kam es immer häufiger zu Spannungen. Im Juli 2009 schließlich eskalierte der Konflikt. Eine schwere Dürre zwang die Hirten, ihr Vieh über Wochen auf die wenigen verbleibenden Weidegründe zu treiben. Diese lagen jedoch nunmehr innerhalb der königlichen Jagdgründe, woraufhin die OBC eine Räumung des Gebiets zur Jagdsaison anordnete.
Was dann geschah, hat der Bevölkerung bis heute ein gewaltiges Misstrauen beigebracht“,
sagt Samwel Nangiria von der örtlichen Initiative NGONET, die sich für die Rechte der Bevölkerung einsetzt. In mehreren Dörfern steckten Spezialeinheiten der Polizei einige hundert Gebäude in Brand, darunter auch Kornspeicher. Etwa 60.000 Rinder wurden in ein karges Gebiet vertrieben, in dem fast die Hälfte der Tiere verendete. Die Bevölkerung berichtete über Schläge und sexuelle Übergriffe, fünf Frauen sollen im Anschluss an das gewaltsame Vorgehen Fehlgeburten erlitten haben. Auch drei Kinder gingen in dem allgemeinen Chaos verloren und gelten seither als verschwunden. Insgesamt wurden in der über mehrere Tage andauernden Aktion fast 20.000 Menschen vertrieben.
Eine parlamentarische Anhörung zu den Vorfällen lehnte die Regierung ab. Die zuständige Ministerin Shamsa Mwangunga kommentierte lediglich, die Räumung sei eine notwendige Maßnahme zum Schutz der Natur und der dort beheimateten Wildtiere gewesen. Diese offizielle Darstellung gipfelte schließlich in der Aussage, die Dorfbewohner hätten ihre Häuser freiwillig verlassen und diese selbst in Brand gesetzt.
Menschenrechtsbeobachter und lokale NGOs befürchten angesichts der bevorstehenden Jagdsaison, dass sich ähnliche Szenen wiederholen könnten und mahnen zur Aufmerksamkeit. Doch ausgerechnet die aufsehenerregendste Petition des Kampagnennetzwerks avaaz mit über 900.000 Unterschriften parierte das zuständige Ministerium unlängst mühelos. Da avaaz fälschlicherweise den klangvollen Namen des angrenzenden, aber in der Tat nicht betroffenen Serengeti-Nationalparks für die Mobilisierung nutzte, war es Minister Khamis Suedi Kagasheki ein Leichtes, die Vorwürfe als schlichtweg falsch zurückzuweisen. Auch die OBC verneinte Pläne zur Ausweitung des Jagdgebiets.
Juristisch wird dem Vorhaben ohnehin wenig entgegenzusetzen sein. Während der Wildlife Conservation Act von 2009 im Gebiet der neu geschaffenen Game Controlled Areas jegliche Form landwirtschaftlicher Nutzung verbietet, bleibt die Jagd unter Auflagen erlaubt. Der bis dahin getroffene Kompromiss zwischen Landpächtern und Bevölkerung, das Gebiet saisonal als Weidegrund nutzen zu dürfen, ist damit aufgehoben. Vielmehr noch verpflichtete sich die Regierung mit der neuen Gesetzgebung, dafür zu sorgen, dass sich keine Siedlungen mehr innerhalb dieser Gebiete befinden.