Tunesien steht vor der Wahl

Saturday 25th, October 2014 / 19:37 Written by

 Die anstehenden Parlamentswahlen rücken Tunesien ins Zentrum der Weltöffentlichkeit: Politische Beobachter aus aller Welt messen der Richtungsentscheidung der tunesischen Bevölkerung große Bedeutung bei. Am Wahltag an diesem Sonntag entscheiden die Tunesierinnen und Tunesier, so heißt es, nicht nur über die Zusammensetzung ihrer Volksvertretung, sondern auch über die Zukunft des “Arabischen Frühlings”. 

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Richtungswahl: Die Farben Tunesiens als Button. (pixabay.com, CC Public Domain)

Von “einer ganz besonderen Wahl” spricht zum Beispiel SZ-Korrespondent Paul-Anton Krüger in einem Beitrag für die “Süddeutsche Zeitung”:

“Die ersten freien Wahlen nach dem Sturz des Diktators Zine el-Abedine Ben Ali hat das Land zwar schon vor fast genau drei Jahren abgehalten, am 23. Oktober 2011. Doch damals stimmten die Tunesier eigentlich nur über eine Verfassungsgebende Versammlung ab, die den Weg zur Demokratie bereiten sollte. Nun haben sich mehr als fünf Millionen der etwa 7,8 Millionen wahlberechtigten Tunesier registrieren lassen, um die Abgeordneten des ersten regulären Parlaments bestimmen zu können. Das sind fast eine Million mehr als noch vor drei Jahren.” (SZ: “Eine ganz besondere Wahl“, 25. Oktober 2014)

Als die beiden stärksten politischen Kräfte des Landes gelten die Partei Nidaa Tounes des erfahrenen Politikers Beji Caid el Sebsi, dem Verbindungen zum alten Regime nachgesagt werden, sowie die islamistische Partei Ennahda, die als stärkerer Partner einer Koalitionsregierung das Land von Ende 2011 bis Januar 2014 regierte.

Die demokratische Aufbruchsbewegung sieht sich allerdings mit einer großen Gefahr konfrontiert: Gewaltbereite Kräfte im Land könnten versuchen, den Wahlprozess durch Anschläge oder Ausschreitungen zu stören.

Die Signalwirkung ist klar: Ein friedlicher Ablauf würde über Tunesien hinaus ausstrahlen als mögliches Muster, wie eine islamisch geprägte Gesellschaft auf demokratischem Weg zu einem stabilen Gemeinwesen gelangen könnte. Damit wäre Tunesien ein lebendiger Gegenentwurf zu den chaotischen Bürgerkriegsverhältnissen, wie sie in anderen Staaten des sogenannten “Arabischen Frühlings” herrschen.

“Die Tunesier – und die internationale Gemeinschaft – brauchen eine Parlamentswahl ohne größere Unruhen, bei der der Wahlausgang allgemeine Akzeptanz findet”, fasst Guardian-Korrespondentin Eileen Byrne zusammen.

“Im Gegensatz zu den Schlachtfeldern Syriens, der Unterdrückung durch General Abdel Fatah al-Sisi in Ägypten oder der ruderlosen Instabilität in Libyen, steht Tunesien bislang als die einzige Erfolgsgeschichte des Arabischen Frühlings da – als ein Land, in dem die Regierungsgewalt nach dem Umsturz eines autoritären Regimes an der Wahlurne weitergereicht wird.” (The Guardian: “Tunisia holds its breath for free, fair and peaceful parliamentary elections“, 24. Oktober 2014)

 

Einen Eindruck von der Stimmungslage vor Ort in der Zeit des demokratischen Aufbruchs vermittelt der Dokumentarfilm “Hell Democrazy” von Heikel Ben Bouzid, Jörg Oschmann und Martin Meier (Produzent): “Hello Democrazy

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