Versöhnung am Nil?

Friday 30th, September 2011 / 21:14 Written by

 Der Südsudan und Äthiopien planen aufwendige Staudamm-Projekte am Nil, Addis Abeba investiert gar in den größten Damm Afrikas. Die Energieversorgung für die rasant wachsende Bevölkerung und die Bewässerung der Landwirtschaft stellen große Herausforderungen für die Länder der Region dar. Bislang beharrte Ägypten auf kolonialen Verträgen, die dem letzten Anrainerstaat umfassende Sonderrechte einräumen. Doch mit dem Sturz Mubaraks könnte in der brisanten Diskussion um Ablaufmengen und Staustufen eine neue Ära der Diplomatie am Nil angebrochen sein.


Während eines gemeinsamen Workshops zur Wasserverteilung in der Region, an dem Vertreter des Südsudans und Ägyptens teilnahmen, verkündete der südsudanesische Minister für Water Resources and Irrigation, Paul Mayom Akec, den Bau eines neuen Staudamms in der nördlichen Region Wau. Vorrangig solle der neue Damm die Wasserversorgung der regionalen Landwirtschaft verbessern, um so die hohe Abhängigkeit des Südsudan von Lebensmittelimporten zu verringern. Darüber hinaus werde künftig Strom für die Region Wau und angrenzende Gebiete produziert.

Die ägyptische Delegation ließ die Gelegenheit nicht aus, auf die guten Beziehungen beider Länder zu verweisen. Eine baldige Aufnahme des Südsudan in die Gruppe der Nilanrainerstaaten, die Nile Basin Initiative, gilt indes nur noch als Formsache. Akec ägyptischer Amtskollege Husham Mohamad Ghandil betonte, dass der Zugang zu sauberem Trinkwasser und die Schaffung eines stabilen Bewässerungssystems für landwirtschaftliche Zwecke von essentieller Bedeutung für den staatlichen Aufbau des Südsudans sein. Zukünftig sollen partnerschaftliche Projekte zwischen beiden Lädern daher gezielt in diesen Bereichen ansetzen.

Derart versöhnliche Töne sind am Nil keine Selbstverständlichkeit. Unter Mubarak beharrte Ägypten auf kolonialen Grenzverträgen, die dem letzten Anrainerstaat des längsten Flusses der Welt einzigartige Sonderrechte einräumten. Ägypten berief sich bislang vor allem auf vertragliche Vereinbarungen von 1902, die dem britischen Protektorat des anglo-ägyptischen Sudans ungehinderten Zugang zum Großteil des Nilwassers zusicherten – wenngleich dem Strom in Ägypten kein Wasser mehr zugeführt wird und der Blaue Nil aus Eritrea und Äthiopien rund 80 Prozent des Gesamtvolumens speist. Über Jahrzehnte galt ein Verstoß gegen die gültigen Auflagen in Kairo gar als Kriegsgrund.

 

Äthiopien plant größtes Staudammprojekt Afrikas

Nun gesteht die ägyptische Übergangsregierung den südlichen Anrainern zumindest erweiterte Nutzungsrechte zu. So verkündete Äthiopien bereits im März dieses Jahres mit Zustimmung Ägyptens den Bau des größten Staudammprojekts Afrikas. Die Bedeutung des Grand Ethiopean Renaissance-Damms unterstreichen nicht zuletzt die Anstrengungen, die Äthiopien zur zügigen Finanzierung des Projekts aufwendet. Experten bewerten die diplomatischen Annäherungen zwischen Ägypten und Äthiopien indes zunehmend positiv.

Mit chinesischer Finanzierung plant der Südsudan ein weiteres ehrgeiziges Staudamm-Projekt. Der Al-Rossires-Damm im Blue Nile State zielt ebenfalls auf die Ausweitung landwirtschaftlicher Aktivitäten in der Region ab.

 

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Marius Münstermann is based in Berlin where he works as a freelance journalist. Marius serves as editor-in-chief at eufrika.org.

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