Sahelzone droht Hunger – Oxfam
Die internationale Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam warnt in einem aktuellen Bericht für das kommende Jahr vor einer Nahrungsmittelkrise in Westafrika. Demnach sind in der Sahelzone bereits jetzt fast 10 Millionen Menschen von den Folgen unregelmäßiger Regenfälle betroffen.
Allein in Niger sind demnach bereits jetzt bis zu eine Millionen Menschen von Hunger betroffen, schätzt das World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen. Zwei Monate vor Beginn der Erntezeit zwischen Januar und Februar zeichnen sich massive Ausfälle ab.
Heftige Regenfälle haben in Niger seit 2009 immer wieder zu Überschwemmungen geführt, vielerorts Felder zerstört und so die anhaltende Nahrungsmittelkrise verschlimmert. Von den jüngsten Überschwemmungen waren in Niger nach Angaben der Vereinten Nationen etwa 110.000 Menschen betroffen, von denen viele ohnehin unter akuter Nahrungsmittelknappheit zu leiden haben.
In dem am Montag in Accra veröffentlichen Bericht prophezeit Oxfam auch Mauretanien, Burkina Faso, Mali und Tschad ähnliche Szenarien.
Mamadou Biteye, Vorsitzender für Oxfams humanitären Einsatz in Westafrika, erkennt in der aktuellen Situation ein bedrohliche Vorahnung für die Region:
The situation is looking extremely worrying for millions of people in West Africa, but the worst is not yet inevitable.”
Während Niger mit unvorhersehbaren Regenfällen zu kämpfen hat, macht Biteye auf das fehlende Wasser in anderen Länder der Sahelzone aufmerksam. In Folge mangelnder Regenfälle sinken die Wasserspiegel. Im selben Zusammenhang müssen der Rückgang von Weideland und die zuletzt schlechten Ernteerträge bewertet werden.
So ist die Getreideproduktion in Mauretanien und Tschad im Vergleichszeitraum von fünf Jahren um knapp 50 Prozent zurückgegangen.
Doch auch das spekulative Geschäft an den internationalen Börsen treibt die Preise für viele Grundnahrungsmittel in die Höhe, in einigen Ländern allein in diesem Jahr um 40 Prozent. Für viele arme Familien, die nicht selten den Großteil ihrer Einkommen auf Lebensmittel verwenden, stellt diese Entwicklung eine zunehmend existenzielle Bedrohung dar.
Aktuell sieht Oxfam in Niger rund 6 Millionen Menschen von der Nahrungsmittelkrise bedroht, im Nachbarland Mali etwa 2,9 Millionen. Die Betroffenen leben demnach in Gegenden, die im Falle einer weiteren Verschlechterung der Lage besonders anfällig sind. Ähnliches gilt auch für Mauretanien, wo knapp ein Viertel der Bevölkerung (700.000 Menschen) von der gegenwärtigen Krise bedroht sind, ebenso im Tschad. Dort sollen rund 2 Millionen Menschen von der Nahrungsmittelnknappheit betroffen sein, wobei bereits jetzt insgesamt jedes vierte Kind als unterernährt gilt.
Gleichzeitig bescheinigt Oxfam der internationalen Gemeinschaft ein mangelhaftes Engagement bei der Krisenbewältigung in der Sahelzone. Noch sei es jedoch möglich, eine weitere Verschlechterung der Situation für 2012 abzuwenden. Die Erfahrungen der Vergangenheit hätten gezeigt, dass ein frühzeitiges Eingreifen oftmals Schlimmeres verhindern konnte. Oxfam empfiehlt, Familien gezielt finanziell zu unterstützen, um die betroffenen Regionen nicht in Abhängigkeit von internationalen Notlieferungen zu bringen.
Der Oxfam-Bericht weist im Zusammenhang mit der Nahrungsmittelknapheit auch auf die Bedeutung von Rücküberweisungen hin. Arbeitsnomaden aus der ganzen Sahelzone arbeiten in den Nachbarländern wie Ghana oder der Elfenbeinküste. Teile ihres Einkommens gehen zurück an die Familie in der Heimat, wo die Rücküberweisungen zu einem wichtigen Einnahmezweig geworden sind. Im letzten Jahr ging die Zahl der Menschen, die die Länder der Sahelzone auf der Suche nach Arbeit in den Küstenstaaten verlassen, jedoch zurück.
Intensive Bewirtschaftung
Entsprechend gering ist die Kaufkraft in den meisten Ländern der Sahelzone, in denen abgesehen von Bodenschätzen, die einigen wenigen nutzen, fast alle von der Landwirtschaft leben. Große Teile der Bevölkerung können mit den stetig steigenden Lebensmittelpreisen nicht mehr mithalten.
Doch auch die Bewirtschaftung trägt zum Problem bei. Neben der intensiven Viehhaltung, der ganze Landstriche zum Fraß fallen, verschärfen flächenintensive Anbaumethoden die Knappheit. Zynischer Weise hat die Nahrungsmittelsicherheit in den vergangenen Jahrzehnten mit dem Wachsen der beackerten Fläche abgenommen. Überschüsse werden nur seltne gelagert. Daher wird immer mehr angebaut, um in schlechten Jahren Ausfälle kompensieren zu können.
Ebenso trägt das Abholzen der verbleibenden Wälder zur Desertifikation bei. Da traditionell mit Holzkohle gekocht wird, steigt der Holzbedarf mit dem ständig wachsenden Bevölkerungsdruck der Länder im Sahel, die Wüste ist auf dem Vormarsch.
Mehr zu diesem Thema:
Oxfam: Double Disaster hits Niger (2009)
World Food Programme der Vereinte Nationen: Dürre treibt 10 Mio. Menschen in Westafrika in den Hunger
eufrika.org: Sahelstaaten planen “grüne Mauer” gegen die Wüste
US Aid: Sahel and West Africa Food Security Outlook Update – January 2011
Voice of America: Aid agency warns of West Africa food crisis
Brigitta Herrmann: Das Recht auf Ernährung am Beispiel Malis – Wirtschaftsethische Ansätze auf dem Prüfstand
Deutsche Welthungerhilfe und das UN-nahe International Food Policy Research Institute (IFPRI): Welthunger-Index 2011 – Herausforderung Hunger: Wie steigende und stark schwankende
Nahrungsmittelpreise den Hunger verschärfen