Zwei Jahre Präsidentschaft Jacob Zuma – Wo steht Südafrika?

Thursday 10th, March 2011 / 21:12 Written by

 Im Berliner Afrikahaus drängten sich am vergangenen Dienstag viele interessierte Zuhörer, um eine Antwort auf diese komplexe Frage zu erhalten. Mit Dr. Helmut Orbon, Leiter des Programms Unterstützung von Frieden, Sicherheit und Good Governance in der SADC-Region von der GTZ, Dr. Ben Khumalo-Seegelken, Sozialwissenschaftler und Theologe an der Uni Oldenburg und Lothar Berger, stellvertretender Geschäftsführer der Informationsstelle Südliches Afrika diskutierten drei ausgewiesene Kenner der politischen Strukturen Südafrikas, wie der Präsident Jacob Zuma und seine Politik nach zwei Jahren Amtszeit zu bewerten sind. Konrad Melchers, ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift „Entwicklungspolitik“- heute „welt-sichten“, moderierte die Diskussion. Die INISA (Initiative Südliches Afrika e.V.) und die SID-Berlin (Society for International Development) waren Veranstalter dieser äußerst interessanten Gesprächsrunde.

Als 2009 der umstrittene Jacob Zuma das Amt des Präsidenten Südafrikas antrat, war sehr vielen Beobachtern bewusst, dass die vor ihm liegende Aufgabe keine leichte sein würde. Viele Hoffnungen aber auch Ängste verbanden sich mit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten. Während sich vor allem die jungen ANC-Mitglieder eine fundamentale Verbesserung des Kampfes gegen die Armut erhofften, befürchteten viele im In- und im Ausland eine Verschlechterung der Wirtschaftslage, der Demokratie und der guten Regierungsführung. Wie sind diese Erwartungen nach zwei Jahren Amtszeit nun zu bewerten?

Die Probleme im Land

Für Dr. Helmut Orbon steht fest, dass besonders in den Landesteilen, die für den ANC wichtig sind, nicht viel für die Menschen getan wurde. Eine angedeutete linke Politik und damit eine Politikverschiebung ist nach Orbon nicht erfolgt. Obwohl gerade das Problem der Arbeitslosigkeit unter Thabo Mbeki stark kritisiert wurde, ist es auch Jacob Zuma nicht gelungen, das Problem in den Griff zu bekommen. Insgesamt sind heute 4,3 Mio Südafrikaner arbeitslos. Zwar ist Zuma mit dem „new growth path“ im November vergangenen Jahres einen bedeutenden Schritt in die richtige Richtung gegangen, doch leider, so Orbon, verspätet. Ob der „new growth path“, durch den mittels öffentlicher Investitionen in den nächsten 10 Jahren 5 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, das Problem bewältigen kann, bleibt also abzuwarten. Doch selbst wenn Arbeitsplätze geschaffen werden, bleibt noch das Problem der nichtvorhanden qualifizierten Arbeitskräfte. Viele der heute Arbeitslosen sind ehemalige Bergbauarbeiter, die im industrialisierten Südafrika keine beruflichen Chancen mehr sehen.  Kurzfristige Lösungen finden sich mit Arbeitskräften aus den benachbarten Ländern. Doch auch dies ist nicht unproblematisch. Die Übergriffe auf Ausländer in einigen Teilen Südafrikas in der Vergangenheit haben gezeigt, wie die Bevölkerung diesen Lösungsansatz bewertet.
Das sind nicht die einzigen Hürden, die der Regierung unter Zuma für eine erfolgreiche Politik im Weg stehen. Wachsende Ungleichheiten, mangelnde Dienstleistungsbereitschaft, die Korruption, vor allem auf der kommunalen Ebene, ganz zu schweigen vom Mammutproblem HIV / Aids. Die Lebenserwartung hat sich vom Ende der Apartheid bis heute von 63 auf 59 Jahre reduziert, ein deutliches Zeichen für schlechter werdende Lebensbedingungen. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger ist mit 14 Millionen um 300 Prozent gestiegen. Dazu im Vergleich beträgt die Zahl der Steuerzahler gerade mal 5,9 Millionen. Die steigende Anzahl von Protesten in den Townships (11 Proteste in 2004, 210 Proteste in 210), verleihen dieser Misere Ausdruck.

Interne Auseinandersetzungen im ANC

Wenn es einen Unterschied zu seinem Vorgänger Thabo Mbeki gibt, liegt dieser nach Orbon in der Art und Weise, wie Zuma den ANC leitet. Er gilt als „integrierende Persönlichkeit in den Grabenkämpfen des ANC“. Er versteht es demnach, den Deckel auf den internen Auseinandersetzungen der Partei zu halten. Und diese sind evident. Schaut man zurück in den Dezember letzten Jahres, als Arbeitsminister Jimmy Manyi Versuche anstrebte, den sogenannten „Employment Equity Act“ auch auf den privatwirtschaftlichen Sektor auszudehnen. Nach dem „Employment Equity Act“ müssen Positionen im öffentlichen Dienst nach einem Schlüssel besetzt werden, der die demografische Struktur widerspiegelt. Umstrittende Kategorien, wie sie zu Zeiten der Apartheid gängig waren, finden hier plötzlich wieder Verwendung. Der Südafrikaner Dr. Ben Khumalo-Seegelken erkennt hierin nur ein Anzeichen dafür, dass „sich die Verfassung in ihr Gegenteil umzukehren droht“. Er wirft der Regierung vor, den Staat zu instrumentalisieren und damit die Verfassung zu gefährden. Doch er sieht das Problem tiefer verwurzelt als in dem Standpunkt Manyis. Eigene Kriterien und Denkansätze hätten definiert werden müssen und das hat die Zuma-Regierung versäumt. Die Kontroversen um dieses Thema belasten den ANC auch intern. Orbon ist sich sicher, dass Zuma an den internen Zerwürfnissen des ANC scheitern könnte, wenn es ihm nicht mehr gelingen sollte, den ANC zusammenzuhalten. Das Vertrauen der Bevölkerung in den ANC scheint nach Orbon schon jetzt ein geringes zu sein. Als kürzlich während des Krankenhausaufenthaltes  Nelson Mandelas die Mehrheit der Bevölkerung  den Atem anhielt, war kein anderes Thema mehr von Interesse. Selbst die Ereignisse in Nordafrika fanden nicht annähernd die Aufmerksamkeit, die dem Gesundheitszustand des ehemaligen Präsidenten zukam. Und das, laut Orbon, nicht nur um Sorge um ihn, sondern auch aus Sorge um die Zukunft des ANC. Khumalo-Seegelken dagegen bewertet das Vertrauen in den ANC als ungebrochen. In der Schlichterrolle Zumas liegt besonders für Lothar Berger ein Problem. Zuma laufe hier Gefahr, als ein Staatsoberhaupt wahrgenommen zu werden, und das wird er von vielen, welches lediglich ein politischer Moderator ist. Wenn er aus dieser Moderatorenrolle nicht herauskommt, kann es kein klares politisches Konzept geben. Und über das Nichtvorhandensein eines solchen klaren politischen Konzepts sind sich alle Diskutanten einig. Der größte Fehler liegt nach Khumalo-Seegelken darin, dass langfristige Ziele und politische Prinzipien für die Durchsetzung kurzfristiger Interessen geopfert werden.

Situation der Medien

Berger sorgt sich darüber hinaus vor allem um die Situation der Medien. Die Presse hat die geschilderten Missstände, besonders die Korruption im Blick. Die Wut, die darüber im ANC herrscht, könnte dazu führen, dass die Medien an die Kandare genommen werden. Der Entwurf eines neuen Mediengesetzes im letzten Jahr sorgte hier bereits für Aufregung: Ein Medientribunal, dass dem Parlament untersteht, soll demnach die bisherige, von der Medienindustrie selbst kontrollierten Beschwerdestelle ablösen und die Presse kontrollieren. Die Opposition und unabhängige Stimmen kritisierten diesen Entwurf  einhellig. Auch wenn dieses Tribunal noch nicht durch ist, lässt es doch bedenkliche Rückschlüsse zu. Nach Berger erkennt man an der Situation der Medien, wo ein Staat steht.

Ausblick

Diese besorgniserregenden Äußerungen veranlassten Melchers schließlich, nach dem Stabilitätsgrad des Landes zu fragen. Für Orbon ist klar, dass Südafrika sehr instabil werden könnte, wenn es dem ANC nicht gelingt, die Erwartungen seiner Wählerschaft zu erfüllen. Berger verweist in diesem Zusammenhang auf die Probleme in den Townships und warnt vor einem „überspringenden Funken“. Dennoch bewertet er Südafrika, gerade im Vergleich mit anderen afrikanischen Ländern, wie Angola beispielsweise, als relativ stabil. Am optimistischsten äußerte sich Khumalo-Seegelken. Obwohl auch er die dargelegten Schwachstellen erkennt und negativ bewertet, ist er sich sicher: „Der Staat hat sich gefunden und wird stabil bleiben“.

Dass Südafrika immer für eine Überraschung gut ist, hat die Vergangenheit bereits öfters bewiesen. Viele Beobachter sind Mitte der 90er Jahre nicht davon ausgegangen, dass der Wandel von einem Apartheidsstaat in einen demokratischen so friedlich ablaufen würde. Und viele kritische Stimmen trauten dem Land ebenso wenig zu, die Fussball-WM zu meistern. Das Land hat das Gegenteil beweisen. Bleibt also die Hoffnung, dass sich auch in den nächsten Jahren dunkle Prophezeiungen und Befürchtungen nicht realisieren werden.

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