Die Geschichte einer Flucht ins Paradies?

Friday 12th, October 2012 / 19:54 Written by

 

2011 kamen nach Schätzungen des UNHCR 58.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa – mindestens 1.500 starben.
(Foto: freiheit-im-sinn.blogspot)

Was ist Freiheit? Das ist das Thema, um das sich das Buch des Eritreers Zekarias Kebraeb dreht.

„Hoffnung im Herzen, Freiheit im Sinn“ ist der Bericht einer dramatischen Flucht aus Asmara, die ihn durch fünf Länder führt; eine vierjährige Odyssee, auf der er mehr als einmal vom Tode bedroht ist, bis er schließlich in Deutschland ankommt. Und erneut kämpfen muss – für seine Freiheit.

Zekarias Kebraeb, der seine Heimat zurücklässt für ein Leben in Freiheit, gerät in süditalienische Auffanglager, in die Obdach-losigkeit, eine Schweizer Abschiebeanstalt, deutsche Justiz-vollzugsanstalten und ein vor Dreck und Tristesse starrendes Asylbewerberheim in Bayern.

Dass es ihm am Ende gelingt, vor Gericht einen Aufenthaltstitel zu erstreiten, liegt nicht nur daran, dass er immer wieder an Menschen gerät, die ihm helfen, zu überleben und die Illegalität schließlich zu überwinden. Es liegt auch an seinem sturen Festhalten an seinem Freiheitsideal.

Eine Rezension

(Quelle: Wiki Commons)

Asmara 2002: In der Hauptstadt Eritreas herrschen Armut, Hunger und Perspektivlosigkeit. Die Militärdiktatur regiert das Land mit eiserner Hand. Nach dem 30-jährigen Krieg gegen den Erzfeind Äthiopien sitzt die Furcht vor erneuten Auseinandersetzungen tief, die Bevölkerung ist traumatisiert. Jeder wird zum Kriegsdienst herangezogen, Männer und Frauen ohne Unterschied und ohne Rücksicht auf persönliche Schwächen; Schüler werden am Tag ihrer letzten Prüfung mit Bussen direkt in die Ausbildungslager gebracht. Wer sich weigert, muss mit Gefängnis und Folter rechnen, die Strafen in Eritrea zählen zu den grausamsten weltweit.

Zekarias Kebraeb ist das vierte von fünf Kindern, die die Mutter allein erzieht, nachdem der Vater aus den USA nicht mehr zurückgekehrt ist. Schnell wird klar, dass es für ihn keine Chance gibt, seinen Traum von der Schriftstellerei, von einem Leben in Freiheit zu erfüllen. Um dem Militärdienst zu entkommen, versteckt er sich nach dem Ende seiner Schulzeit monatelang auf Dachspeichern und in Kammern, bis ihm schließlich die Flucht gelingt. Da ist er gerade 17. Sein unbedingter Lebenswille und die Sehnsucht nach Freiheit sind es, die ihn immer wieder Kraft schöpfen lassen auf der Flucht, die rasch zur Tortur wird.

 

Flüchtlingslager auf Malta
(Quelle: Wiki Commons)

Nicht nur wegen der ständigen Furcht, entdeckt, verhaftet oder abgeschoben zu werden und nicht allein, weil er nur mit knapper Not dem Verdursten in der Wüste entgeht und dem Ertrinken im Mittelmeer, gerät er an den Rand seiner Kräfte – mindestens ebenso schwer wiegen die Demütigungen, die ein sogenannter Illegaler, ein Sans Papiers, ständig und von allen Seiten erdulden muss. Die Erkenntnis, dass man ihn im vermeintlichen Paradies nicht mit offenen Armen empfängt, sondern mit militärischen Abwehrvorrichtungen, mit Spürhunden und Anfeindungen zeigen ihm mehr als einmal die Abgründigkeit und Grausamkeit einer Realität, die zwischen Nord und Süd unterscheidet, zwischen Europäer und Nicht-Europäer.

In 13 Etappen erzählt er ungeschminkt von den lebensunwürdigen Umständen in Eritrea, von Todesangst und Heimweh, von fehlender Infrastruktur südeuropäischer Lager, irrwitzigen Bürokratien, absurden Gesetzen, von überforderten Beamten und der Inhumanität der europäischen Flüchtlingspolitik. Und er erzählt von den Selbstzweifeln und der Kritik der eigenen Landsleute in Europa, mit denen er immer wieder konfrontiert wird: warum bist du nicht dort geblieben, um für ein besseres Eritrea zu kämpfen?

Man muss dazugehören, um im Paradies Europa frei zu sein – das ist die Erkenntnis am Ende dieses Buches. Es ist ein beeindruckendes Plädoyer für die Freiheit, das keine Anklage braucht; das Schicksal Zekarias Kebraebs, das für Tausende steht, zeigt die Probleme europäischer Flüchtlingspolitik drastisch genug.

Zekarias Kebraeb, “Hoffnung im Herzen, Freiheit im Sinn”, ist 2011 im Verlag Bastei Lübbe erschienen.

 

 

Siehe auch:

http://freiheit-im-sinn.blogspot.de/

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